Rz. 238

Da die mit einer Sachgründung verbundenen erhöhten Anforderungen in der Praxis mitunter als lästig eingestuft werden, legen die Gründer manchmal bei Gründung die Leistung von Bareinlagen fest, verwenden die nach "Leistung" dieser Einlage entstandene Liquidität aber dazu, direkt oder auf Umwegen, offen oder verschleiert den "eigentlich" zu leistenden Gegenstand entgeltlich – insbesondere von den Gründern oder ihnen nahestehenden Personen selbst – zu erwerben oder das eingezahlte Geld in anderer Weise – z. B. als Darlehen – an die Gründer oder eine von ihm beherrschte Gesellschaft[1] zurückfließen zu lassen. Das wirtschaftliche Ergebnis ist, dass die Gesellschaft letztlich doch kein frisches Barkapital, sondern andere Vermögensgegenstände (Inventar, Vorräte, Forderungen, Patente, tatsächlichen oder angeblichen Goodwill, die Befreiung von einer Verbindlichkeit etc.) erworben hat.[2]

 

Rz. 239

Die Folgen waren für die Gründer bis zum Inkrafttreten des MoMiG katastrophal,[3] sind aber auch seither noch so nachteilig für die Gründer, dass mit den Worten des Gesetzgebers "ein ausreichendes Sanktionsgefälle zwischen einer verdeckten und einer ordnungsgemäß festgesetzten Sacheinlage" besteht.[4] Zwar droht heute bei sachlichem Zusammenhang zwischen Bareinlage und Gegengeschäft (der bei einem zeitlich engen Zeitraum von ca. sechs Monaten vermutet wird), nicht mehr automatisch die geschuldete Bareinlage als gar nicht geleistet,[5] sodass der Gründer "noch einmal" zahlen müsste.[6]

 

Korrektur

Dieses Ergebnis, hatte der Gesetzgeber bei Neuregelung des GmbH-Rechts durch das MoMiG als unangemessen hart angesehen und aus diesem Grunde § 19 Abs. 4 GmbHG eingefügt.

 

Rz. 240

Nach § 19 Abs. 4 GmbHG gilt im Falle einer verdeckten Sacheinlage die Einlage zwar bis zur Eintragung in das Handelsregister ebenfalls als nicht geleistet. Allerdings ist das "Gegengeschäft" – also z. B. der Kaufvertrag zwischen Gründer und Gesellschaft über Anlagevermögen – nicht mehr wegen Verstoßes gegen die Sacheinlagevorschriften unwirksam (Satz 1). Der Wert der verdeckten Sacheinlage wird auf die Einlageverpflichtung angerechnet, sobald die Gesellschaft eingetragen ist. Danach haftet der Gründer nur noch auf die Differenz zwischen dem Wert der verdeckten Einlage und Einlageverpflichtung, ist aber für den Wert der verdeckten Einlage beweisbelastet. Voraussetzung hierfür ist jedoch stets, dass der einlagefähige Vermögensgegenstand gem. § 7 Abs. 3 GmbHG endgültig zur freien Verfügung der Geschäftsführer steht.

 

Rz. 241

Die Neuregelung gilt auch für Altfälle, also verdeckte Sacheinlagen, die vor Inkrafttreten des MoMiG erbracht wurden (§ 3 Abs. 4 EGGmbHG). Lediglich wenn über die Folgen solcher Altfälle bereits ein rechtskräftiges Urteil ergangen oder eine wirksame Vereinbarung zwischen Gesellschaft und Gründer getroffen worden ist, bleibt es bei der alten Rechtslage.

 

Rz. 242

Nicht beseitigt wurde das Strafbarkeitsrisiko, das aus der unzutreffenden Versicherung gegenüber dem Handelsregister folgt, die Einlagen seien "zur freien Verfügung des Vorstands" geleistet worden, obwohl das Gegengeschäft bereits verabredet war. Die falsche Versicherung steht auch nach der Neuregelung unter Strafe (§ 82 Abs. 1 Nr. 1 GmbH, sog. "Gründungsschwindel").

 

Rz. 243

Als verdeckte Sacheinlage kommen nur Geschäfte über solche Vermögensgegenstände in Betracht, die auch Gegenstand einer offengelegten Sacheinlage sein könnten. Dienstleistungen kommen als offene Sacheinlage nicht in Betracht (vgl. Rn. 203) und können daher auch nicht als verdeckte Sacheinlage gewertet werden.[7]

Auch für gemischte Sacheinlagen (vgl. dazu Rn. 173) gelten, so sie verdeckt erbracht werden, die Vorschriften über die verdeckte Sacheinlage.[8]

 

Keine verdeckten Sachgründungen

Vor verdeckten Sachgründungen kann weiterhin nicht eindringlich genug abgeraten werden. Die mit dem Verzicht auf die Sachgründungsvorschriften vermeintlich einhergehenden Vorteile bei der Abwicklung der Gründung wiegen die damit verbundenen Risiken bei Weitem nicht auf.

[1] Vgl. Rn. 264.
[2] BGH, Urteil v. 11.2.2008, II ZR 171/06, GmbHR 2008 S. 483 ff.; vgl. auch in einem Fall, in dem die Einlage auf Umwegen in ein konzerninternes Cashpool-System einbezogen worden war, BGH, Urteil v. 16.1.2006, II ZR 76/04, NJW 2006 S. 1736; zum Fall der GmbH & Co. KG, in der das Stammkapital der Komplementärin an die vom GmbH-Gesellschafter beherrschten KG als Darlehen weitergereicht wird, vgl. BGH, Urteil v. 10.12.2007, II ZR 180/06, NZG 2008 S. 143.
[3] Heidenhain, GmbHR 2006, S. 455 ff.
[4] Vgl. die Begründung des Rechtsausschusses zu der von ihm durchgesetzten Neuregelung der Parallelvorschrift des § 27 Abs. 3 und 4 AktG, BT-Drucks. 16/13098 v. 20.5.2009 S 54; Wiese/Schneider, in Römermann, MAH GmbH-Recht, § 5 Rn. 54 ff.
[5] Vgl. zur Rechtsentwicklung: Schwandtner, in MüKo-GmbHG, § 19 Rn. 166 ff. m. w. N.
[6] Wobei diese Forderung in der Insolvenz vom Insolvenzverwalter geltend gemacht wurde. Im Gegenzug konnte der Gründer zwar den bei wirtschaftlicher ...

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