rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Entstehen der Einfuhrmehrwertsteuer bei Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Ist die mehrwertsteuerrechtliche Vorschrift eines Mitgliedstaates, wonach Freihäfen nicht zum Inland gehören, eine sonstige Regelung i.S. des Art. 156 Mehrwertsteuerrichtlinie?
  2. Entsteht mit der Einfuhrzollschuld wegen Entziehens aus der zollamtlichen Überwachung innerhalb einer Freizone zugleich die Einfuhrmehrwertsteuer?
  3. Nicht nur für Waren die dem externen Versandverfahren unterliegen, sondern auch für Waren, die einer Regelung im Sinne des Art. 156 MwStSystRL unterliegen, gibt es gem. Art. 61 Unterabs. 1 MwStSystRL keinen Ort der Einfuhr. Für sie treten der Steuertatbestand und der Steueranspruch nicht ein (Art. 71 Abs. 1 Unterabs. 1 MwStSystRL).
  4. Bei Vorschriften der Mitgliedstaaten, die Freizonen vom Inlandsgebiet ausnehmen, wie z.B. § 1 Abs. 2 S. 1 UStG, handelte es sich insoweit um Regelungen im Sinne des Art. 156 Mehrwertsteuersystemrichtlinie, soweit Gegenstände in der Freizone nur gelagert werden.
 

Normenkette

MwStSystRL Art. 2 Abs. 1d, Art. 30, 60-61, 70, 71 Abs. 1 Unterabs. 1, Art. 156

 

Streitjahr(e)

2009

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob für in ein externes Versandverfahren übergeführte, in eine Freizone verbrachte und dort ohne Beendigung des Versandverfahrens auf ein anderes Beförderungsmittel umgeladene und schließlich über die Ostsee in einen anderen Mitgliedstaat beförderte Waren nicht nur die (Einfuhr-)Zollschuld, sondern auch die Einfuhrumsatzsteuer des Mitgliedstaats, zu dessen Staatsgebiet die Freizone gehört, entstanden ist.

Am 11.06.2009 wurden Textilien, die am Tag davor auf dem Flughafen Frankfurt am Main in das Zollgebiet der Europäischen Union eingeführt und gestellt worden waren, zum externen gemeinschaftlichen Versandverfahren angemeldet und überlassen. Warenempfänger war eine in dem Freihafen Hamburg ansässige Firma. Mit der Beförderung der Waren wurde die Klägerin beauftragt. Die Nämlichkeit der Waren war mit einem Verschluss (Tyden Seal) gesichert. Das Versandverfahren war bis zum 17.06.2009 zu beenden.

Bei der Abgangsstelle ging weder eine Eingangsbestätigung noch eine Kontrollergebnisnachricht ein. Ermittlungen im Suchverfahren ergaben, dass der der Klägerin gehörende LKW, mit dem die Beförderung durchgeführt wurde, am 11.06.2009 zwischen 08:15 und 10:00 Uhr bei dem Warenempfänger im Freihafen Hamburg unter Entfernung des Verschlusses entladen und das Versandgut am 15.06.2009 in einen Container verstaut und auf ein sogenanntes Feederschiff verladen worden war. Dieses Schiff verließ den Hamburger Freihafen am 16.06.2009 und beförderte die Waren nach Finnland, wo sie in das Zolllagerverfahren übergeführt und von dort später nach Russland wiederausgeführt wurden.

Am 02.09.2010 erließ der Beklagte jeweils einen Einfuhrabgabenbescheid an den Hauptverpflichteten, der die Waren als zugelassener Versender zum Versandverfahren angemeldet hatte, und an die Klägerin als Warenführer. In beiden Bescheiden wurde sowohl Zoll-Euro als auch Einfuhrumsatzsteuer festgesetzt. Zur Zahlung wurde lediglich die Klägerin aufgefordert. Die Zahlungsaufforderung allein an die Klägerin wurde damit begründet, dass der Hauptverpflichtete die ordnungsgemäße Übergabe der Sendung und des Versandscheins nachgewiesen habe, während es die Klägerin versäumt habe, das Versandverfahren zu beenden. Der ebenfalls befragte Warenempfänger hatte gegenüber dem Beklagten angegeben, dass er bei der Annahme der Sendung davon ausgegangen sei, dass die Waren zollamtlich abgefertigt gewesen seien. Das Versandbegleitdokument sei bei der Anlieferung der Waren nicht mit übergeben worden.

Gegen den Einfuhrabgabenbescheid vom 02.09.2010 legte die Klägerin Einspruch ein. Die während des Einspruchsverfahrens von dem Beklagten fortgesetzten Ermittlungen führten dazu, dass ein erheblicher Teil der bereits entrichteten Einfuhrabgaben wegen einer geänderten Einreihung in den Zolltarif und eines geänderten Zollwerts erstattet wurden (Teilerstattungsbescheid vom 13.12.2011). Im Übrigen blieb der Einspruch erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 16.03.2012).

Zur Begründung ihrer auf die verbliebene Einfuhrumsatzsteuer beschränkten Klage trägt die Klägerin vor, die Zollschuld sei unstreitig durch das Entladen des LKW unter Entfernung des Verschlusses im Freihafen entstanden. Als Freizone gehöre der Freihafen aber nicht zum Inland. Ein steuerbarer Umsatz liege daher nicht vor. Der Tatbestand, der die Zollschuld habe entstehen lassen (Art. 203 Abs. 1 des Zollkodex [ZK]), sei außerhalb des Steuergebiets verwirklicht worden.

Zwar handele es sich bei Zöllen und der Einfuhrumsatzsteuer um unterschiedliche Abgabenarten. Die Zollschuld und die Einfuhrumsatzsteuer könnten aber nicht zu unterschiedlichen Zeitpunkten entstehen. Auch könne die Einfuhrumsatzsteuer nicht aufgrund eines anderen, ebenfalls erfüllten Zollschuldentstehungstatbestands entstehen als die Zollschuld.

Die Klägerin beantragt ...

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