Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzbesteuerung von Umsatzsteuerkarussellen bei schwer aufklärbarem Sachverhalt

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Strohmann kann Leistender sein, solange Strohmann und Leistungsempfänger nicht einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts zwischen dem Dritten und dem Hintermann eintreten sollen.

2. Der Umstand, dass der Vorlieferant oder ein in der Leistungskette an früherer Position stehendes Unternehmen sich nach Leistungsausführung und Rechnungsstellung dem Zugriff der Finanzbehörde entzogen und seine steuerlichen Pflichten verletzt hat, führt nicht zur Versagung des Vorsteuerabzugs, auch wenn der Leistungsempfänger die Verletzung von steuerlichen Pflichten bei seinem Lieferanten oder einem in der Leistungskette ein früherer Stelle stehenden Vorlieferanten erkannt und von den Preisvorteilen auf Grund der Steuerhinterziehung des Vorlieferanten profitiert hat (Rechtslage bis 31.12.2001).

3. Liegen erhebliche Anhaltspunkte für die Einbeziehung der Steuerpflichtigen in ein Umsatzsteuerkarussell vor, ohne dass eine Beteiligung letztlich zweifelsfrei nachgewiesen werden kann, ist der Vorsteuerabzug zu versagen, wenn der Steuerpflichtige nicht nachweist, dass eine Verschaffung der tatsächlichen Verfügungsmacht an dem Gegenstand vorliegt.

4. Ist erwiesen, dass sowohl die Vor-Vorlieferanten zum Zwecke der Steuerhinterziehung gegründet wurden und der unmittelbare Vorlieferant als Käufer in die Steuerhinterziehung eingebunden war und ergeben sich weitere erheblicher Anhaltspunkte für eine wesentliche Beteiligung der Steuerpflichtigen aus dem ungewöhnlichen Vorgang, dass sämtliche „ Verkaufsabschlüsse” und „Liefervorgänge” über mehrere Händler ein einem einzigen Tag durchgeführt und zudem die Ware an den ersten Verkäufer zurückverkauft wurde, spricht dies für die einvernehmliche Vorherbestimmung des zukünftigen Warenlaufes und das Fehlen der zum Vorsteuerabzug erforderlichen Verschaffung der tatsächlichen Verfügungsmacht.

5. Die Steuerfreiheit von innergemeinschaftlichen Lieferungen scheitert nicht daran, dass entgegen §§ 14,14a UStG i.V.m. §§ 6a Abs. 3, 10a Abs. 2 UStDV auf den Rechnungen kein ausdrücklicher Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftliche Lieferung erfolgt ist.

 

Normenkette

UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1, §§ 14, 14a, 3 Nr. 1; UStDV § 6 Abs. 3, § 17a Abs. 2

 

Streitjahr(e)

1999

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 19.04.2007; Aktenzeichen V R 48/04)

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt als Rechtsnachfolgerin der A OHG mit ihrer Klage die Festsetzung negativer Umsatzsteuern für die Voranmeldungszeiträume Februar bis Mai und Juli bis November 1999 in Höhe von zusammen -2.219.091,43 Euro unter Aufhebung festgesetzter positiver Umsatzsteuern in der Höhe von 3.081.974,90 Euro (Streitwert somit 5.301.066,09 Euro = 10.367.983 DM), weil der Beklagte (das Finanzamt -FA-) zu Unrecht davon ausgehe, sie sei Beteiligte eines „Umsatzsteuerkarussells”.

Die Klägerin wurde am 29.08.1997 als OHG durch die Gesellschafter C und D gegründet und am 26.07.99 in die B GmbH umgewandelt.

Nachdem das FA den Voranmeldungen Februar bis Mai und Juli 1999 zunächst zugestimmt und Guthaben in Höhe von insgesamt 1.146.909,28 Euro (= 2.243.159,40 DM) ausgezahlt hatte und die Klägerin am 10.9.1999 eine weitere Voranmeldung für August 1999 über -1.411.053 DM und am 13.10.1999 die Voranmeldung September 1999 über - 479.725,33 DM eingereicht hatte, erging am 25.10.1999 eine Anordnung zur Umsatzsteuersonderprüfung für die Voranmeldungszeiträume Juli bis September 1999. Im Anschluß an eine weitere Voranmeldung für Oktober 1999 in Höhe von -258.376 DM wurde am 14.12.1999 in einer bundesweit abgestimmten Aktion eine Hausdurchsuchung bei der Klägerin zusammen mit anderen ca. 30 Durchsuchungen durchgeführt.

Hinsichtlich der Voranmeldungszeiträume Juni 1999 (nicht Klagegegenstand) und Juli 1999 (Klagegenstand) erließ das FA am 24.7.2000 geänderte Vorauszahlungsbescheide mit Steuernachforderungen von 1.469.785,10 DM, weil es Lieferungen an die englische Firma E nicht als steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferungen ansah. Im Verfahren wegen der Aussetzung der Vollziehung hat der Senat die Vollziehung dieser Bescheide ausgesetzt (Beschluss vom 8.1.2001 6 V 4543/00, EFG 2003, 890), weil er die Mitteilung der englischen Steuerbehörde, wonach es sich um einen „missing trader” handele, nicht als hinreichend für eine fehlende wirtschaftliche Betätigung der Firma im Zeitpunkt der Leistungsausführung und Rechnungsstellung ansah und nach den Umständen lediglich von einer Insolvenz der englischen Firma auszugehen war.

Nachdem das FA wegen der im Herbst 1999 vorangemeldeten weiteren Guthaben für die Zeiträume August bis Oktober 1999 von zusammen 2.176.154 DM seit ca. 1 ½ Jahren keine Entscheidung getroffen hatte, legte die Klägerin Untätigkeitseinsprüche ein. Diese wurden am 2.10.2001 mit einer als „Entschei-dung” überschriebenen und mit Rechtsmittelbelehrung „Einspruch” versehenen Verfügung als u...

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