Entscheidungsstichwort (Thema)

Entstehen der Steuerschuld gegenüber dem Rechtsnachfolger des Vorerben, wenn die Vorerbschaft dem zwischenzeitlich verstorbenen Vorerben wirtschaftlich nicht zugeflossen ist

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Für die Bestimmung des Steuerschuldners ist nicht von Bedeutung, dass der Erlass des Bescheides über die durch die Vorerbschaft ausgelöste Steuerschuld erst nach Eintritt des Nacherbteils erfolgte und die Steuerschuldnerin selbst daher die Steuer entgegen § 20 Abs. 4 ErbStG nicht aus Mitteln der Vorerbschaft entrichten konnte.
  2. Der Umstand, dass ein Ersatzanspruch durch den Vorerben gegen den Nacherben auf dem Zivilrechtsweg durchgesetzt werden muss oder gegebenenfalls aufgrund der wirtschaftlichen Situation des Nacherben nicht mehr werthaltig ist, kann den Übergang der Steuerschuld nicht begründen.
  3. Der Ausschluss der wirtschaftlichen Verfügungsbefugnis des Vorerben ändert nichts an seiner (zeitlich begrenzten) Stellung als rechtlicher Inhaber des Nachlasses.
 

Normenkette

ErbStG § 6 Abs. 1, § 20 Abs. 4; BGB §§ 1922, 2124, 2126

 

Streitjahr(e)

2007

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 13.04.2016; Aktenzeichen II R 55/14)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der Vorerbin die durch den Vorerbfall ausgelöste Steuerschuld auch dann nach § 20 Abs. 1 des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (ErbStG) schuldet, wenn die Vorerbschaft der zwischenzeitlich verstorbenen Vorerbin wirtschaftlich nicht zugeflossen ist.

Die Klägerin ist Alleinerbin der am … 2012 verstorbenen … (Vorerbin). Diese war alleinige Vorerbin des am … 2007 verstorbenen Herrn … (Erblasser). Bis zu dem - mit Tod der Vorerbin eingetretenen - Nacherbfall war die Testamentsvollstreckung angeordnet. Nachdem der Beklagte (das Finanzamt - FA -) den auf Grundlage der Erbschaftsteuererklärung des Testamentsvollstreckers vom 10. Februar 2010 ergangenen Erbschaftsteuerbescheid nicht mehr gegenüber der Vorerbin bekannt geben konnte, erließ er am 23. April 2012 gegenüber der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der Vorerbin einen Steuerbescheid, durch den die Erbschaftsteuer auf …,-- € festgesetzt wurde und der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) erging.

Hiergegen legte die Klägerin am 27. April 2012 Einspruch ein. Zur Begründung trug sie vor, weder der Testamentsvollstrecker noch die Vorerbin hätten die Möglichkeit gehabt, gemäß § 20 Abs. 4 ErbStG die Steuer aus Mitteln der Vorerbschaft zu entrichten, da es das FA versäumt habe, rechtzeitig einen Steuerbescheid zu erlassen. Auch hätten der Vorerbin oder ihr selbst zu keinem Zeitpunkt Mittel aus der Vorerbschaft zur Verfügung gestanden. Daher seien sie weder befugt noch in Lage gewesen, dem Nachlass den (voraussichtlichen) Steuerbetrag zu entnehmen. Da nunmehr nur noch die Nacherbin in der Lage sei, die durch die Vorerbschaft veranlasste Steuer aus den Mitteln des Nachlasses zu entrichten, sei auch der Erbschaftsteuerbescheid an diese zu richten. Insoweit verkenne das FA auch, dass § 6 Abs. 2 ErbStG den Nacherben hinsichtlich des Vorerbschaftvermögens als Erben des Vorerben behandele.

Den gleichzeitig gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte das FA am 4. Mai 2012 ab; der hiergegen gerichtete Einspruch wurde mit Entscheidung vom 13. November 2012 als unbegründet zurückgewiesen. Das FA vertrat die Auffassung, die durch den Erbanfall der Vorerbin ausgelöste Steuerschuld schulde die Klägerin als Gesamtrechtsnachfolgerin der Vorerbin nach § 20 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 1922 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Gemäß § 6 Abs. 1 ErbStG handele es sich bei Vor- und Nacherbfall steuerrechtlich um selbständige, zeitlich getrennte Erbfälle, so dass der Nacherbe die durch den Vorerbfall ausgelöste Steuer nicht schulde. Auch § 20 Abs. 4 ErbStG schränke die Haftung des Vorerben nicht ein, sondern regele lediglich die Befugnis, die Steuerleistung dem Nachlass zu entnehmen bzw., wenn diese aus dem eigenen Vermögen des Vorerben bestritten werde, den Nacherben zum Ersatz zu verpflichten (§ 2124 Abs. 2 BGB). Die von der Klägerin angeführten wirtschaftlichen Gesichtspunkte müssten hierbei außer Betracht bleiben.

Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim Finanzgericht wurde mit Beschluss vom 26. Februar 2013 (1 V 2578/12) abgelehnt. Der Senat vertrat die Auffassung, das FA habe zu Recht den Steuerbescheid über den durch den Vorerbfall bewirkten Erwerb von Todes wegen an die Klägerin als Gesamtrechtsnachfolgerin der zwischenzeitlich verstorbenen Vorerbin gerichtet. Aus dem vor Erlass des Steuerbescheides eingetretenen Nacherbfall folge nichts anderes. Insbesondere bewirke § 6 Abs. 2 Satz 1 ErbStG keinen Übergang der durch die Vorerbschaft ausgelösten Steuerschuld auf den Nacherben.

Im Rahmen des Einspruchsverfahren wurde der Steuerbescheid mehrfach geändert, zuletzt mit Bescheid vom 10. Mai 2013, durch den die Erbschaftsteuer auf …,-- € festgesetzt wurde (Bl. 194 der Erbschafts...

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