vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [I R 45/11)]

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderung einer Verrechnungspreisdokumentation – Europarechtswidrigkeit des § 90 Abs. 3 AO

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Für das Vorliegen einer nahestehenden Person i.S.d. § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG reicht eine mittelbare Einflussnahmemöglichkeit aus, wenn diese ihren Grund nicht allein in der zu beurteilenden Geschäftsverbindung hat; auf eine tatsächliche Einflussnahme kommt es nicht an.
  2. Die Dokumentationspflicht nach § 90 Abs. 3 AO ist nicht europarechtswidrig. Sie berührt zwar bei grenzüberschreitend tätigen Steuerpflichtigen das Diskriminierungsverbot und die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 und 48 EGV), diese Beeinträchtigungen sind aber zur Gewährleistung einer wirksamen Steueraufsicht gerechtfertigt.
  3. Die EG-Amtshilfemöglichkeiten nach der Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom 19.12.1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern und der Mehrwertsteuer (ABl. EG Nr. L 336 S. 15) zuletzt geändert durch die Richtlinie 2006/98/EG des Rates vom 20.11.2006 (ABl. EU Nr. L 363 S. 129) beschränkt sich auf einen lediglich passiven Informationsaustausch und gewährleistet hinsichtlich des Preisniveaus im Ausland keine vergleichbare Ermittlungsmöglichkeit, weil sie nur auf die Erteilung von Einzelauskünften gerichtet ist.
 

Normenkette

AO § 90 Abs. 3; AStG § 1 Abs. 2 Nr. 3; EGV Art. 43, 48; RL 77/799/EWG

 

Streitjahr(e)

2009

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 10.04.2013; Aktenzeichen I R 45/11)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Aufforderung des Finanzamtes an die Klägerin, Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Abs. 3 Abgabenordnung (AO) vorzulegen, rechtmäßig war.

Die Klägerin wurde durch Vertrag vom 02.01.2008 gegründet. Mit Vertrag vom 12.02.2008 erwarb die X- AG sämtliche Anteile an der Klägerin und mit Vertrag vom 20.03.2008 verkaufte sie diese Anteile weiter an die X-S.A. Sämtliche Anteile der X-S.A. und X-AG wurden von der X-Holding in Luxemburg gehalten.

Die X-S.A. hielt ihre Anteile an der Klägerin treuhänderisch für den X-Fonds. Bei dem X-Fonds handelt es sich um einen Fonds „commun de placement” nach luxemburgischen Recht, der ein ungeteiltes Vermögen hält, welches für Rechnung der Gemeinschaft seiner Eigentümer, den Fondsinvestoren, von einer Verwaltungsgesellschaft, im vorliegenden Falle von der X-S.A., verwaltet wird. Es handele sich um einen Investmentfond des Vertragstyps (im Gegensatz zu einem Investmentfonds des Kapitalgesellschaftstyps). Der X-Fonds besitzt keine Rechtspersönlichkeit, die Anlagegegenstände des Fonds stehen im Eigentum der Verwaltungsgesellschaft, die das Vermögen treuhänderisch für die Anleger verwaltet. Die Geschäftspolitik der X-S.A. kann nur mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit der Anteilsinhaber des X-Fonds geändert werden.

Nach dem Fonds-Prospekt („Memorandum”) des X-Fonds vom März 2008 und den „Management Regulations” des X-Fonds vom 17.03.2008 sind die Fondsinvestoren nur passive Kapitalanleger, die auf die Anlageentscheidung und die sonstigen geschäftlichen Entscheidungen des Fonds keinen Einfluss nehmen. Sämtliche Anlage- und sonstige den X-Fonds betreffenden geschäftlichen Entscheidungen werden von der X-S.A. getroffen. Die X-S.A. bedurfte für die von ihr ausgeübte Tätigkeit in Luxemburg einer aufsichtsrechtlichen Genehmigung durch die luxemburgische Aufsichtsbehörde CSSF, die auch die aufsichtsrechtlichen Vorgaben überwacht und die bei Pflichtverletzungen die X-S.A. als Verwaltungsgesellschaft auch auswechseln kann.

Im streitrelevanten Zeitraum wurde die Klägerin von drei Geschäftsführern vertreten. Herr A wurde am 12.03.2008, Herr B am 20.03.2008 und Herr C am 15.04.2008 zum Geschäftsführer bestellt. Herr C war in der Zeit vom 01.04.2008 bis 15.07.2009 auch Angestellter bei der X-AG und dort im Bereich des Risk Management tätig, darüber hinaus war er auch Mitglied des Board of Directors der X-AG und der X-S.A..

Nach dem Erwerb der Anteile an der Klägerin durch die X-S.A. hat die Klägerin ihre Geschäftstätigkeit, die Verwaltung eigener Vermögenswerte, insbesondere den Handel mit Finanzinstrumenten auf eigene Rechnung, aufgenommen und in der Zeit vom 17.04.2008 bis 30.07.2008 Aktien von deutschen Aktiengesellschaften (überwiegend DAX-Unternehmen) an- und verkauft. Nach den Feststellungen des Finanzamtes wurden die Aktien einen Bankarbeitstag vor dem Dividendenzahlungszeitpunkt gekauft und am Tag der Dividendenzahlung wieder verkauft. Darüber hinaus tätigte die Klägerin Kurssicherungsgeschäfte mit Futures.

Die Klägerin hatte am 11.04.2008, vertreten durch die Geschäftsführer B und A, mit der X-AG ein sogenanntes „Service Agreement” abgeschlossen. Auf der Grundlage dieser Vereinbarung begleitete die X-AG umfassend die Vertragsverhandlungen bzw. die Identifikation von Vertragspartnern im Rahmen der von der Klägerin vorgenommenen Finanztransaktionen. Insbesondere hat die X-AG ...

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