Nachgehend

BFH (Urteil vom 14.09.1994; Aktenzeichen I R 153/93)

 

Tenor

1. Der Körperschaftsteuerbescheid 1990 vom 29.04.1991 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 18.10.1991 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

4. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger betreibt einen Modellbauverein. Er begehrt die Anerkennung der Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 Körperschaftsteuergesetz wegen Verfolgung gemeinnütziger Zwecke im Sinne der §§ 51 ff. AO.

Zweck des Vereins ist nach § 2 seiner Satzung die Förderung und Ausübung des Modellbaues sowie des Modellsports. Er soll der sinnvollen Freizeitgestaltung sowie der Förderung der handwerklichen Fertigkeiten dienen und zur Kameradschaft und zur Gemeinsamkeit anregen. § 2.4 der Satzung sieht als weiteren Zweck eine aktive Förderung der Jugendarbeit vor. Mitglieder können nach § 4.3 alle natürlichen Personen werden, die bereit sind zur zweckentsprechenden Förderung und Gestaltung des Vereins beizutragen. Neben dem Flugmodellbau werden der Schiffs- und der Automodellbau gleichberechtigt nebeneinander betrieben.

Das Finanzamt erkannte den Kläger nicht als steuerbefreite Körperschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 Körperschaftsteuergesetz (KStG) an und erließ am 29.4.1991 einen Körperschaftsteuerbescheid über … DM. Zur Begründung führte es aus, der Kläger verfolge nicht ausschließlich steuerbegünstigte Zwecke im Sinne des § 51 ff. AO, da er neben dem Modellflugsport, der als gemeinnützig anzuerkennen sei, auch sonstigen Modellbau betreibe, welcher diese Voraussetzungen nicht erfülle. Den Einspruch des Klägers wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 18.10.1991 zurück. Dagegen wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Klage.

Er ist der Ansicht, neben dem Modellflug sei auch der allgemeine Modellbau als gemeinnützig anzuerkennen, da er ebenso förderungswürdig sei. § 52 Abs. 2 Nr. 4 AO enthalte nur eine beispielhafte, keine abschließende Aufzählung der gemeinnützigen Zwecke. Darüberhinaus stelle die Nichtanerkennung des Schiffs- und Automodellbaus im Gegensatz zum Flugmodellbau eine gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz verstoßene eindeutige Benachteiligung dar. Ein sachlicher Differenzierungsgrund liege nicht vor. Das Argument des Finanzamtes, die Förderung des Flugmodellbaues sei im Hinblick auf die Förderung der Fliegerei und der Flugzeugindustrie volkswirtschaftlich sinnvoll, während in den sonstigen Modellbaubereichen gerade im Schiffsmodellbau keine wirtschaftliche Zukunft gesehen werde, sei nicht stichhaltig. Die Praxis würde zeigen, daß gerade für den Schiffbaubereich von staatlicher Seite erhebliche finanzielle Mittel bereitgestellt würden und sich die volkswirtschaftliche Förderungswürdigkeit des Automobilbaues bereits aus der Bedeutung des Automobilbaues als Deutschlands Wirtschaftsfaktor Nummer 1 ergebe.

Der Kläger beantragt,

den Körperschaftsteuerbescheid vom 29.04.1991 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 18.10.1991 aufzuheben und ihm Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG wegen Verfolgung gemeinnütziger Zwecke zu gewähren.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es ist der Ansicht, der Kläger sei nicht als steuerbefreite Körperschaft anzuerkennen, da er nicht ausschließlich gemeinnützige Zwecke verfolge. § 52 Abs. 2 Nr. 4 AO enthalte eine abschließende Aufzählung der gemeinnützigen Zwecke, wie sich eindeutig aus den Gesetzgebungsmotiven ergebe, die weder den Schiffs- noch den Automodellbau umfasse. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes liege nicht vor. Die Förderung des Flugmodellbaues sei eine rechtspolitische Entscheidung des Gesetzgebers, dem es unbenommen bleibe, bei der Förderung gewisse Förderschwerpunkte zu setzen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Körperschaftsteuerbescheid ist aufzuheben, da der Kläger die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG erfüllt.

Nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG sind von der Körperschaftsteuer befreit, Körperschaften, die nach der Satzung und ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, wohltätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§ 59 Abgabenordnung). Welche Zwecke als gemeinnützig anzuerkennen sind, ergibt sich aus § 52 AO. Danach verfolgt eine Körperschaft gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern (§ 52 Abs. 1 AO). Zur Konkretisierung der in Abs. 1 genannten unbestimmten Rechtsbegriffe enthält Abs. 2 einen Katalog von Tätigkeiten, die nach den Vorstellungen des Gesetzgebers regelmäßig eine Förderung der Allgemeinheit darstellen. Nach diesem Beispielkatalog sind als ...

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