rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Zwingende Gründe, die die Selbstnutzung des erworbenen Familienheims unmöglich machen

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Gesundheitliche Einschränkungen stellen erst dann zwingende objektive Gründe dar, die nicht zur Versagung der Steuerbefreiung für das Familienheim führen, wenn das selbstständige Führen eines Haushalts dem Erwerber schlechthin und nicht nur in dem konkreten sich im Nachlass befindlichen Familienheim unmöglich ist.
  2. Führt der Erwerber trotz seines Gesundheitszustandes den Haushalt des Familienheim noch nahezu ein Jahr weiter, um in dieser Zeit eine adäquate Wohnmöglichkeit zu finden, liegen keine zwingenden Gründe vor, die den Erwerber an dem Bewohnen seines Familienheims ändern.
 

Normenkette

ErbStG § 13 Abs. 1 Nr. 4b S. 5

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin eine Steuerbefreiung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4b des Erbschaftsteuergesetzes in der zum Besteuerungszeitpunkt geltenden Fassung (ErbStG) trotz ihres Auszugs aus dem Familienheim beanspruchen kann.

Die Klägerin ist die Alleinerbin ihres am…August 2012 verstorbenen Ehemannes Herrn E (Erblasser). Bestandteil des Nachlasses war unter anderem das Grundstück … in …, Eigentumswohnung Aufteilungsplan Nr. …, in dem die Eheleute gemeinsam und nach dem Tod des Erblassers bis zu ihrem Auszug im November 2013 die Klägerin alleine wohnte (Familienheim). Das Grundstück wurde nach Auszug der Klägerin im Jahr 2014 veräußert.

In ihrer Erbschaftsteuererklärung vom 26. September 2013 machte die Klägerin betreffend des Familienheims eine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG geltend. Zur Begründung trug sie vor, trotz ihres Auszugs aus dem Familienheim sei die Steuerbefreiung zu gewähren, da ihr die weitere Selbstnutzung aus objektiv zwingenden Gründen nicht mehr möglich gewesen sei. Ihrem weiteren Verbleib in dem Familienheim hätten gesundheitliche Gründe entgegen gestanden, die auf die dramatischen Umstände des Versterbens des Erblassers in dem Familienheim zurückzuführen seien. Hinsichtlich des konkreten Geschehensablaufs wird auf das Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 29. Januar 2014 (Bl. 123 ff. der Erbschaftsteuerakte) Bezug genommen. Dies habe bei ihr eine schwere akute Belastungsstörung ausgelöst, deren Heilung ohne eine räumliche und endgültige Trennung von dem Familienheim nicht möglich gewesen sei. Zum Nachweis verwies die Klägerin auf die ärztliche Bescheinigung des Chefarztes der Abteilung Psychotherapie und Psychosomatik der Klinik … Dr. … vom…Oktober 2013 (Bl. 127 [u. 138] der Erbschaftsteuerakte), auf die ärztliche Bescheinigung des Internisten Dr. … vom…Juli 2013 (Bl. 129 der Erbschaftsteuerakte), auf den Abschlussbericht des Krankenhauses … vom…September 2012 (Bl. 130 f. der Erbschaftsteuerakte bzw. Bl. 22 f. der Gerichtsakte), den Entlassungsbericht des Chefarztes der Klinik Dr. … vom…November 2012 (Bl. 130 ff. der Erbschaftsteuerakte bzw. Bl. 24 ff. der Gerichtsakte) sowie die Bescheinigung der Heilpraktikerin … vom…September 2013 (Bl. 126 [u. 137] der Erbschaftsteuerakte), auf die Bezug genommen wird. Darin heißt es u.a. „Insgesamt stellt das Bewohnen dieses Hauses für sie [die Klägerin] seit dem Todesfall eine fast unerträgliche Belastung dar, da sie, auch wenn sie das entsprechende Stockwerk meidet, trotzdem immer wieder an das entsprechende Geschehen erinnert wird. Aus fachärztlicher Sicht muss daher dringend zu einer möglichst baldigen Änderung der Wohnsituation geraten werden, bevorzugt mit Änderung des Wohnortes. Ferner muss aus gesundheitlichen Gründen zu einer vollständigen Lösung von dem jetzigen Haus geraten werden (Verkauf), da sie [die Klägerin] im Falle einer Vermietung doch immer wieder - zum Teil unvorbereitet - mit dieses Haus betreffenden Angelegenheiten konfrontiert würde” (Auszug aus der ärztlichen Bescheinigung vom…Oktober 2013 des Dr. …) und „Es ist ihr [der Klägerin] nicht möglich, das gemeinsame Wohnhaus weiterhin zu bewohnen […]. Teil der Therapie ist die Erarbeitung eines Neuanfangs, zu dem auch der Umzug aus diesem emotional für sie sehr belasteten Haus gehört sowie der Neuanfang in einer psychisch stärkenden Umgebung” (Auszug aus der Bescheinigung vom…September 2013 der Heilpraktikerin …). Da die Finanzverwaltung als objektiv zwingende Gründe für den Wegfall der Selbstnutzung sowohl die fehlende Möglichkeit des Führens eines eigenen Hausstandes aufgrund Pflegebedürftigkeit als auch die notwendige (dauerhafte) Unterbringung in einem Pflegeheim aufgrund des Gesundheitszustands des Erwerbers anerkenne, sei auch im Streitfall die beantragte Steuerbefreiung zu gewähren.

Mit Bescheid vom 10. April 2015 setzte das FA Erbschaftsteuer in Höhe von …,-- € fest, ohne die Steuerbefreiung zu berücksichtigen. Vielmehr wurde der Wert des Familienheims mit dem durch Bescheid des Finanzamtes … vom 19. Dezember 2013 festgestellten Grundbesitzwert in Höhe von …,-- € angesetzt. In den Erläuterungen zum Bescheid heißt es: „Die Steuerbefreiung für ...

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