Entscheidungsstichwort (Thema)

Reiserücktrittskostenversicherung als umsatzsteuerfreie selbständige Versicherungsleistung

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die Verschaffung von Versicherungsschutz durch den Abschluss von Reiserücktrittskostenversicherungen ist nicht Bestandteil der einheitlichen sonstigen Reiseleistung (§ 25 Abs. 1 Satz 3 UStG)
  2. Bei der Verschaffung der Reiserücktrittskostenversicherung handelt es sich um eine selbständige Hauptleistung. Die dafür gezahlte Vergütung ist nach § 4 Nr. 10b UStG von der Umsatzsteuer befreit.
  3. Die in Abschnitt 272 Abs. 11 UStR 2000 vorgenommene formale Differenzierung zwischen obligatorischer - im Reispreis enthaltener - und fakultativer - gesondert berechneter - Reiserücktrittskostenversicherung ist mit dem Sinn und Zweck des § 4 Nr. 10b UStG nicht vereinbar.
 

Normenkette

UStG § 25 Abs. 1 S. 1, § 4 Nr. 10b; UStR 2000 Abschn. 272 Nr. 11; UStR 2002 Abschn. 272 Nr. 13

 

Streitjahr(e)

1993, 1994, 1995, 1996

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 13.07.2006; Aktenzeichen V R 24/02)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die im Leistungsangebot der Klägerin enthaltene obligatorische Reise-Rücktrittskostenversicherung als - steuerpflichtiger - Bestandteil der einheitlichen Reiseleistung oder als selbständige - steuerfreie - Versicherungsleistung anzusehen ist.

Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin der Firma B, die durch Gesellschaftsvertrag vom 14. September 1979 errichtet und am 15. Oktober 1979 unter Nr. in das Handelsregister des Amtsgerichtes eingetragen wurde. Mit Beschluss vom 16. März 1982 wurde der Sitz von A nach C verlegt und der Gesellschaftsvertrag neu gefasst. Durch die Beschlüsse vom 24. Mai 2000 und Eintragung im Handelsregister vom 2. Oktober 2000 ist die Firma B gemäß §§ 2 Nr. 1, 46 ff UmwG im Wege der Verschmelzung auf die Klägerin übergegangen.

In den Streitjahren war die Rechtsvorgängerin der Klägerin als Reiseveranstalterin tätig. Neben den üblichen Reiseleistungen (Beförderung, Unterkunft, Verpflegung) gehörte zu ihrem Leistungsangebot der Abschluss einer obligatorischen Reise-Rücktrittskostenversicherung. Den dafür erforderlichen Versicherungsschutz verschaffte sich die Klägerin durch den Abschluss von Gruppenverträgen zugunsten der Reiseteilnehmer bei der E Reiseversicherungs-Gesellschaft bzw. der V; hierfür hatte sie aufgrund eigener Rechtspflicht entsprechende Beiträge zu entrichten. Das von den Reisekunden gezahlte Entgelt für die Rücktrittskosten-Versicherung sah die Klägerin als Entgelt für die Verschaffung von Versicherungsschutz an und beließ es nach § 4 Nr. 10b Umsatzsteuergesetz (UStG) umsatzsteuerfrei.

Vom 4. Mai bis 23. Juni 1998 führte der Beklagte (das Finanzamt - FA - ) eine Betriebsprüfung durch. Diese führte zu dem Ergebnis, dass die im Reisepreis enthaltene obligatorische Reise-Rücktrittskostenversicherung als Bestandteil der einheitlichen Reiseleistung im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 3 UStG angesehen und der Margenbesteuerung unterworfen wurde.

Das FA schloss sich der Ansicht der Betriebsprüfung an und erließ unter dem 8. Juni 1998 geänderte Umsatzsteuerbescheide 1993 bis 1996, in denen das Entgelt für die Verschaffung des Versicherungsschutzes in die umsatzsteuerpflichtige Leistung einbezogen und die Marge der Umsatzsteuer unterworfen wurde.

Gegen die Änderungsbescheide legte die Klägerin am 24. September 1998 Einsprüche ein, die das FA durch Einspruchsentscheidung vom 24. März 1999 als unbegründet zurückwies.

Mit der am 29. April 1999 bei Gericht eingelegten Klage verfolgt die Klägerin ihr Rechtsschutzbegehren weiter. Sie ist der Ansicht, die Verschaffung von Versicherungsschutz sei bei der im Steuerrecht gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht Bestandteil einer Reiseleistung im Sinne von § 25 UStG. Durch den Abschluss einer Reise-Rücktrittskostenversicherung sichere sich der Kunde für die Zeit ab dem Vertragsschluss mit dem Reiseveranstalter bis zum Beginn der vereinbarten Reiseleistung gegen die Belastung mit Stornogebühren ab. Sofern der Kunde die Reise nicht antrete, erbringe der Unternehmer keine Reiseleistung im Sinne des § 25 UStG. Dementsprechend könne auch die dem Abschluss der Reise-Rücktrittskostenversicherung zugrunde liegende sonstige Leistung nicht gemäß § 25 UStG besteuert werden.

Selbst wenn davon ausgegangen werde, dass die Verschaffung von Versicherungsschutz eine Reiseleistung sei, könnten die Entgelte für die Reise-Rücktrittskostenversicherung nicht als Teil der Reiseleistung besteuert werden. Denn es lägen keine Reisevorleistungen im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 5 UStG vor: Nach Abschnitt 272 Abs. 9 Satz 2 Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR) kämen als Reisevorleistungen alle Leistungen Dritter in Betracht, die der Reisende in Anspruch nehmen würde, wenn er die Reise selbst durchführen würde, insbesondere Beförderung, Unterbringung und Verpflegung. In der Praxis schließe der Reisekunde bei einer selbst organisierten Reise keine derartige Versicherung ab, da sich die Problematik des § 651 i Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in diesem Falle nicht stelle. ...

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