Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkünftemäßige Erfassung von Schuldzinsen aus dem Erwerb von Gesellschaftsanteilen

 

Leitsatz (redaktionell)

Schuldzinsen, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Gesellschaftsanteilen stehen, wozu eine arbeitsvertragliche Verpflichtung bestand, sind bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit steuermindernd zu berücksichtigen.

 

Normenkette

EStG § 19 Abs. 1, § 20 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1

 

Streitjahr(e)

1994, 1995

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 05.04.2006; Aktenzeichen IX R 111/00)

 

Tatbestand

Für die Streitjahre 1994 und 1995 streiten die Beteiligten darüber, ob bestimmte Schuldzinsen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen oder bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend gemacht werden können. Dem liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Die Klägerin hatte als Wirtschaftsprüferin bei der D Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG) erzielt. Ferner hatte sie Einkünfte aus Kapitalvermögen wegen ihrer Aktienbeteiligung an der D. In ihren Steuererklärungen für die Streitjahre machte sie die Aufwendungen für Schuldzinsen bei den Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit geltend und führte aus, es handele sich bei den Aufwendungen um Schuldzinsen für ein Arbeitgeberdarlehen, das sie zur teilweisen Finanzierung des Erwerbs von D-Aktien aufgenommen habe. Sie fügte Steuerbescheinigungen über Dividendengutschriften bei und führte im Einzelnen aus, es sei arbeitsvertraglich festgelegt worden, daß ein Aktienerwerb notwendig sei. Grundlage des Anstellungsvertrages der Klägerin sei ein Anteilserwerb an der Gesellschaft gewesen. Die Klägerin legte den Arbeitsvertrag vor. Sie sei zum 01.01.1993 zur Sicherung ihrer Position in der Gesellschaft verpflichtet gewesen, die Schuldzinsen bzw. Finanzierungskosten auf sich zu nehmen.

Diese hätten daher unmittelbar und ausschließlich ihrer Tätigkeit bei der D gedient und erst in zweiter Linie stünden sie im Zusammenhang mit den Einkünften aus Kapitalvermögen. Die Klägerin bezieht sich insbesondere auf das Urteil des niedersächsischen Finanzgerichts vom 27.06.1991 II 660/90 (EFG 1992, Seite 182, dieses Urteil ist vom Bundesfinanzhof bestätigt worden).

Die Klägerin hat erfolglos Einspruch eingelegt. Mit der Klage gegen die Einspruchsentscheidung wiederholt sie ihr früheres Vorbringen und führte insbesondere in der mündlichen Verhandlung ergänzend aus, die Aktienanteile stünden nicht zum freien Handel zur Verfügung. Bei der Gewichtung, welcher Einkunftsart die Schuldzinsen zuzurechnen sein, müsse der wirtschaftliche Hintergrund berücksichtigt werden. Die Hauptursache für das Entstehen der Schuldzinsen sei, daß die Klägerin eine höhere wirtschaftliche Position angestrebt habe; es sei eine Nebenwirkung, daß die Klägerin bei den zu erwerbenden

Aktien auch Dividenden erhalten habe. Hinsichtlich des erworbenen Aktienpaketes sei zu bemerken, daß die Klägerin nicht mehr und nicht weniger als vertraglich vereinbart hätte einkaufen können. Bei einem Ausscheiden aus ihrem Beruf habe eine Rückgabeverpflichtugn bestanden. Von Gesetzes wegen hätten nur Wirtschaftsprüfer die Anteile erwerben können (WBpO).

Die Klägerin beantragt,

für 1994 die Steuer auf ------,?? DM für 1985 auf ------,?? DM festzusetzen und gegebenenfalls die Revision zuzulassen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es bezieht sich auf die Gründe der Einspruchsentscheidung, insbesondere auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 21.04.1961 VI 158/59 U (BStBl 1991 Teil III, Seite 431). Dieses Urteil habe auch heute noch Bestand und die Finanzverwaltung sei daran gebunden. Es sie von vorneherein von einem unmittelbaren Zusammenhang zwischen den Schuldzinsen und der Einkunftsart Kapitalvermögen auszugehen. Dies ergebe sich aus der Begründung der genannten BFH Entscheidung.

Dem Gericht lag ein Band Steuerakten die Klägerin betreffend vor.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Das Gericht schließt sich hinsichtlich der Beurteilung der Frage, ob die Schuldzinsen der Einkunftsart nichtselbständiger Arbeit zuzurechnen sind, den Ausführungen des niedersächsischen Finanzgerichts in dem Urteil vom 27.06.1901 II 660/90 (a.a.O.) an. Es liegt eine Bestätigung dieser Entscheidung durch den Bundesfinanzhof, allerdings ohne eine veröffentlichte Begründung, vor. Das Gericht hält die von dem niedersächsischen Finanzgericht dargelegten Gründe für zutreffend. Im Vordergrund der wirtschaftlichen Verfügung der Klägerin stand, daß sie einen höher dotierten Arbeitsplatz erlangen wollte. Hierfür war unerläßliche Voraussetzung der Erwerb eines Aktienpaketes. Dabei handele es sich nicht um einen Aktienkauf üblicher Art, sondern um Aktien die nur Angehörigen ihrer Berufsgruppe vorbehalten waren. Diese Aktien stammten ? wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargetan hat ? nicht zum freien Handel zur Verfügung. Ohne den Erwerb dieser Aktien hätte sie ihre berufliche Position nicht erreicht. Daher sieht das Gericht den Aktienerwerb als in erster Linie und überwiegend im Zusammenha...

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