rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Entfernungspauschale bei Mehrfachfahrten zur Arbeitsstätte

 

Leitsatz (redaktionell)

Gegen die Begrenzung des Werbungskostenabzugs auf die Entfernungspauschale für eine arbeitstägliche Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bestehen keine verfassungsmäßigen Bedenken.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4, Abs. 2; GG Art. 3 Abs. 1

 

Streitjahr(e)

2003, 2004, 2005

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 11.09.2012; Aktenzeichen VI B 43/12)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Aufwendungen für eine zweite Fahrt zur Arbeitsstätte des Klägers an einem Arbeitstag als Werbungskosten zu berücksichtigen sind und ob die Regelung des § 9 Abs. 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes in der für die Streitjahre geltenden Fassung (EStG) i.V.m. § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG mit dem Grundgesetz (GG), insbesondere Artikel 3 Abs. 1 GG, vereinbar ist.

Die Kläger sind unbeschränkt steuerpflichtig und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte in den Streitjahren u.a. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG aus seiner Tätigkeit als Chorsänger am Staatstheater.

Der Kläger ist arbeitsvertraglich verpflichtet, sowohl an den Proben als auch an den Aufführungen an dem Staatstheater in F, teilzunehmen. Er fuhr deshalb im Jahr 2003 an 173 Tagen, im Jahr 2004 an 156 Tagen und im Jahre 2005 an 171 Tagen zweimal zu seiner Arbeitsstätte. Nach dem Sachvortrag des Klägers betrug die Unterbrechung der Arbeitszeit zwischen Proben und Aufführung jeweils mindestens 4 Stunden (wegen der Ermittlung der Tage, an denen er zweimal die Arbeitsstätte aufsuchen musste, wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 17.05.2010, Seite 2f., Bl. 17 der Finanzgerichtsakte (FGA), verwiesen).

Im Rahmen ihrer Steuererklärung für die Streitjahre machten die Kläger bei arbeitstäglich zweifachen Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte jeweils zweimal die Entfernungspauschale pro Kilometer als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit des Klägers geltend. Das Finanzamt folgte dem in seinen Einkommensteuerbescheiden vom 29.04.2005, 23.06.2006 und 12.02.2008 nicht und erkannte Aufwendungen in Höhe der Entfernungspauschale für lediglich eine Fahrt pro Arbeitstag an. Die gegen die Einkommensteuerbescheide erhobenen Einsprüche wies das Finanzamt durch Einspruchsentscheidungen vom 20.11.2009 (Aufgabe zur Post am 03.12.2009) als unbegründet zurück (vgl. zu den Einspruchsentscheidungen im Einzelnen Bl. 24ff., Bl. 34ff. und Bl. 44ff. FGA).

Zur Begründung ihrer dagegen erhobenen Klage bringen die Kläger vor, Steuerpflichtige, die aufgrund ihres Arbeitsvertrages verpflichtet seien, zweimal am Tag ihre regelmäßige Arbeitsstätte aufzusuchen, hätten einen höheren zwangsläufigen, pflichtbestimmten Aufwand als Steuerpflichtige, die nur einmal am Tag ihre regelmäßige Arbeitsstätte aufsuchen müssten. Dementsprechend sei auch früher in § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG geregelt gewesen, dass dann, wenn der Arbeitnehmer an einem Tag mehrmals zwischen Wohnung und Arbeitsstätte hin- und herfahre, die zusätzlichen Fahrten zu berücksichtigen seien, soweit sie durch einen zusätzlichen Arbeitseinsatz außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit oder durch eine Arbeitszeitunterbrechung von mindestens 4 Stunden veranlasst seien. Die Nichtgeltung dieses Satzes in den Streitjahren 2003 bis 2005 führe dazu, dass die Regelung des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG i.V.m. § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoße. Die Normen würden von dem nach dem Netto-Prinzip maßgeblichen Veranlassungsprinzip abweichen. Die Überwindung einer Distanz zwischen Wohnort und Arbeitsstätte sei regelmäßig notwendige berufliche Betätigung.

Zwar sei der Gesetzgeber berechtigt, im Interesse eines praktikablen Gesetzesvollzuges mit generalisierenden, typisierenden und pauschalierenden Regelungen die „typische” private Mitveranlassung von Wegekosten bei der Bestimmung des abzugsfähigen Aufwands zu berücksichtigen. Die in den Streitjahren geltende Regelung hinsichtlich der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genüge indes den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine typisierende Regelung nicht, da die Begrenzung der Entfernungspauschale auf eine Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und die Nichtberücksichtigung von mehrfachen Fahrten an einem Arbeitstag mit einer typisierenden Bewertung und Gewichtung beruflicher wie privater Veranlassungsmomente nichts zu tun habe. Sowohl die erste Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als auch die zweite Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte seien beruflich veranlasst.

Ebenso wie sich nicht begründen lasse, warum Aufwendungen des Arbeitnehmers für Fahrten ab 21 km zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte als Werbungskosten abgezogen werden könnten, während Aufwendungen des Arbeitnehmers für Fahren bis 21 km nicht abzugsfähig seien, lasse sich auch nicht begründen, warum Aufwendungen des Arbeitnehmers für eine Fahrt pro Arbeitstag zwisc...

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