vorläufig nicht rechtskräftig

Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [II R 1/16)]

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Abziehbarkeit eines verjährten Pflichtteilsanspruchs als Nachlassverbindlichkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Verjährte Pflichtteilansprüche sind nicht als Nachlassverbindlichkeiten abziehbar.
  2. Dem Vortrag des Verpflichteten, er würde die Einrede der Verjährung nicht erheben, ist jedenfalls dann keine Bedeutung beizumessen, wenn es an einem natürlichen Interessengegensatz fehlt, weil z.B. wegen eingetretener Nacherbschaft der Verpflichtete und der Berechtigter identisch sind und die gewählte Konstruktion bei gleicher Höhe der Erbschaft ausschließlich zu einer geringeren Steuerbelastung für.
 

Normenkette

ErbStG § 10 Abs. 5 Nr. 2

 

Streitjahr(e)

2011

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 05.02.2020; Aktenzeichen II R 1/16)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Abziehbarkeit von geltend gemachten verjährten Pflichtteilsansprüchen als Nachlassverbindlichkeit.

Dem liegt der folgende Sachverhalt zugrunde:

Der am 09.01.2008 verstorbene Vater des Klägers wurde von seiner Ehefrau, der Stiefmutter des Klägers, Frau A, allein beerbt. Der Kläger machte zunächst keine Pflichtteilsansprüche geltend.

Erbschaftsteuer für diesen Erwerb von Todes wegen gegenüber Frau A setzte der Beklagte, das Finanzamt (nachfolgend FA), ausweislich des

Bescheides vom 09.10.2008 auf 0,00 EUR fest.

Aufgrund testamentarischer Verfügung wurde der Kläger unter Berücksichtigung eines Vermächtnisses Alleinerbe der am 01.01.2011 verstorbenen Frau A. Nach Abgabe der Erbschaftsteuererklärung setzte das FA mit Bescheid vom 22.09.2011 die Erbschaftsteuer auf 61.965,00 EUR fest.

Am 29.06.2012 erließ das FA einen -aus hier nicht interessierenden Gründen- geänderten Bescheid und setzte die Erbschaftsteuer auf 61.785,00 EUR fest.

Am 04.09.2013 beantragte der Kläger, den Erbschaftsteuerbescheid gemäß

§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) zu ändern und als Nachlassverbindlichkeit den nunmehr von ihm geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs nachträglich zu berücksichtigen. Er habe mit Schreiben vom 14.08.2013, welches als Abschrift beigefügt war, seine Pflichtteilsansprüche aus der Erbschaft nach seinem Vater geltend gemacht, nachdem Frau A verstorben und er deren alleiniger Erbe geworden sei. Das Schreiben war adressiert an „Nachlass A, z.H. B, ” (Bl. 64 der Erbschaftsteuerakte). Erbschaftsteuer für den Erwerb des Pflichtteilsanspruchs entstehe nicht, da der Wert des Reinnachlasses den geltenden Freibetrag nicht übersteige. Hinsichtlich des Abzugs des Pflichtteils als Nachlassverbindlichkeit im Erbfall A wirke die Geltendmachung des Pflichtteils auf den Zeitpunkt der Entstehung der Steuer gegenüber dem Erben, also auf den Zeitpunkt des Todes des Erblassers zurück und stelle somit ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar. Versterbe der Pflichtteilsverpflichtete seinerseits, bevor der Pflichtteilsanspruch durch Erfüllung erloschen sei, gehe die Verbindlichkeit gemäß §§ 1922, 1967 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)

zivilrechtlich auf dessen Erben über, ohne dass es auf die vorherige Geltendmachung des Anspruchs ankomme.

Der Anspruch sei auch nicht verjährt. Zwar betrage die regelmäßige Verjährungsfrist nach § 195 BGB drei Jahre, die Wirkung der Verjährung sei aber in § 214 BGB geregelt, wonach bei Eintritt der Verjährung der Schuldner berechtigt sei, die Leistung zu verweigern. Somit führe die Verjährung lediglich zu einer Einrede, die der Schuldner geltend machen könne. Vorliegend habe der Schuldner die Einrede der Verjährung nicht geltend gemacht, so dass der Pflichtteilsanspruch weiterhin bestehe.

Nachdem das FA den Antrag mit Schreiben vom 31.11.2013 abgelehnt hatte, legte der Kläger fristgemäß Einspruch ein.

Mit Einspruchsentscheidung vom 29.04.2014 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus, als Erblasserschulden im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) seien alle vertraglichen und gesetzlichen Verpflichtungen abzugsfähig, die den Erblasser selbst betroffen hätten und die Erben wirtschaftlich belasteten. Dazu zählten grundsätzlich auch Verbindlichkeiten aus der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen. Vorliegend fehle es jedoch an der dafür erforderlichen wirtschaftlichen Belastung des Erben.

Durch die eingetretene Verjährung des Pflichtteilsanspruchs könne die Leistung verweigert werden. Ob die Einrede der Verjährung tatsächlich geltend gemacht werde, sei unbeachtlich, da Verpflichteter und Berechtigter vorliegend identisch seien. Der theoretisch bestehende Pflichtteilsanspruch stelle vorliegend keine wirtschaftliche Belastung dar, da er zum Zeitpunkt der Geltendmachung aufgrund der eingetretenen Verjährung als wertlos anzusehen sei. Im Übrigen könne nicht angenommen werden, dass die Erblasserin sich nicht auf die Verjährung des Anspruchs berufen hätte, wenn sie 2013 noch gelebt hätte.

Mit der erhobenen Klage ver...

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