rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Ermessensausübung bei der Festsetzung von Verzögerungsgeld

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob bei Verletzung mehrerer Pflichten oder einer fortdauernden Pflichtverletzung gleich mehrere Verzögerungsgelder festgesetzt werden können.
  2. Eine analoge Anwendung des § 332 Abs. 3 AO, wonach ein Zwangsmittel für jeden einzelne Zuwiderhandlung angedroht werden kann, kommt im Rahmen der Festsetzung des Verzögerungsgeldes nicht in Betracht.
 

Normenkette

AO § 146 Abs. 2b

 

Streitjahr(e)

2010

 

Tatbestand

Das Finanzamt, der Antragsgegner (Ag.), hat gegenüber dem Antragsteller (Ast.) im Rahmen einer Betriebsprüfung wegen zweier Pflichtverletzungen ein Verzögerungsgeld nach Maßgabe von § 146 Abs. 2b der Abgabenordnung (AO) i.H.v. 5.000,-- EUR festgesetzt. Die Beteiligten streiten in dem vorliegenden Verfahren darüber, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verzögerungsgeldes bestehen. Dem Rechtsstreit liegt nachfolgender Sachverhalt zu Grunde:

Nach Aktenlage betreibt der Ast. als Angehöriger eines freien Berufs ein Ingenieurbüro für …planung. Nachdem der Betrieb unter anderem in den er-Jahren als sog. „Großbetrieb” eingestuft war, bestand ab dem die Klassifizierung als „Mittelbetrieb” und besteht ab dem die als „Kleinbetrieb”.

Mit Schreiben vom .2010 wurde der Steuerpflichtige darauf hingewiesen, dass mit Prüfungsanordnung vom .2010 für den Zeitraum 200. bis 200. bei ihm eine Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO angeordnet worden war. Mit der Prüfung solle am .2010 an Amtsstelle begonnen werden. Gleichzeitig wurde um Beantwortung einer beigefügten Prüfungsanfrage gebeten.

Die Prüfungsanfrage der Betriebsprüfungsstelle vom 2010 beinhaltete die Aufforderung, diverse Unterlagen – wie z. B. die Finanzbuchhaltung, Debitoren- und Kreditorenkonten, Bankauszüge, Kassenbücher, Kassenbelege usw. – vorzulegen. Soweit die zuvor aufgeführten Unterlagen mit Hilfe eines Datenverarbeitungssystems erstellt sein sollten, wurde der Steuerpflichtige gebeten, diese auf einem maschinell verwertbaren Datenträger zur Verfügung zu stellen.

Mit einer Fristsetzung war die Aufforderung nicht verbunden.

Da von dem steuerlichen Berater des Ast. (Herrn A) lediglich Teile der Unterlagen des Kalenderjahres 200. (drei Ordner) beim Finanzamt eingereicht wurden, forderte der Ag. mit Schreiben vom .2010 den Ast. auf, die Prüfungsanfrage bis zum .2010 vollständig zu erfüllen. Gleichzeitig wurde der Ast. darauf aufmerksam gemacht, dass gegen ihn nach § 146 Abs. 2b AO ein Verzögerungsgeld von 2.500,-- EUR bis 250.000,-- EUR festgesetzt werden kann, sofern der vorstehend bezeichneten Aufforderung nicht innerhalb der gesetzten Frist nachgekommen werde.

In einem Aktenvermerk der Betriebsprüfungsstelle vom .2010 errechnete der Prüfer – sowohl wegen der nicht fristgerechten Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6 AO als auch wegen der nicht fristgerechten Vorlage von Unterlagen / Erteilung von Auskünften im Sinne des § 200 Abs. 1 AO – ein Verzögerungsgeld von jeweils 2.500,-- EUR, zusammen also 5.000,-- EUR, das sodann mit Verfügung vom .2010 entsprechend festgesetzt wurde. Wegen der Einzelheiten wird auf den Aktenvermerk vom .2010 sowie auf den Bescheid vom .2010, Bl. 8 bis 10 und 16 bis 17 des Sonderbandes „Verzögerungsgeld” Bezug genommen.

Mit Einspruchsschriftsatz vom .2010 trug der Ast. vor, wegen eigener Erkrankung und Krankheit des ehemaligen Sachbearbeiters (A) seines früheren Steuerberaters B sei er nicht in der Lage gewesen, die geforderten Unterlagen zur Amtsbetriebsprüfungsstelle zeitnah einzureichen. Weiterhin sei es auch schwierig, einige Unterlagen vom Steuerbüro zu bekommen, weil das Büro des Steuerberaters B aus Alters- und Krankheitsgründen aufgelöst worden sei. Gleichzeitig wurde der Erlass des Verzögerungsgeldes und – bis zur Entscheidung über diesen Antrag – Stundung der fälligen Beträge beantragt.

In der Verfügung vom .2010 erläuterte das Finanzamt die Rechtslage und beanstandete, dass der Ast. trotz des festgesetzten Verzögerungsgeldes noch immer nicht alle mit Prüfungsanfrage vom .2010 angeforderten Unterlagen eingereicht habe.

Mit Einspruchsentscheidung vom .2011 wies das Finanzamt den Einspruch als unbegründet zurück.

Zur Begründung wurde angeführt, dem Ast. seien mehrfach fernmündlich ausreichende Fristen zur Beantwortung der Prüfungsanfrage eingeräumt worden. Mit der schriftlichen Erinnerung vom .2010 sei zudem eine weitere Frist bis .2010 gewährt worden. Auf die vorgetragene Krankheit des Ast. und dessen steuerlichen Beraters sei ausreichend Rücksicht genommen worden, denn zwischen der Prüfungsanfrage vom .2010 und der Festsetzung des Verzögerungsgeldes mit Bescheid vom .2010 hätten nahezu vier Monate gelegen. Bereits mit Prüfungsanordnung vom .2010 sei der Ast. auf die Vorlagepflicht von Aufzeichnungen, Büchern und Geschäftspapieren sowie auf die Pflicht zur Verschaffung eines Datenzugriffs hingewiesen worden. Dennoch seien bis zum Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsent...

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