rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit einer per Telefax übermittelten Rücknahme

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Eine Klagerücknahme ist auch dann wirksam, wenn die Rücknahmeerklärung als Telefax-Schreiben ohne qualifizierte elektronische Signatur über das allgemeine Telefonnetz übermittelt wurde.
  2. Durch § 52 a FGO sollten aus Sicht des Gesetzgebers im Kern nur Emails (d.h. Zustellung über Internet), nicht aber trotz heute elektronischer Grundlage die Verwendung des regulierten öffentlichen Telefonnetzes (§ 3 Nr. 16 TKG) ausgeschlossen werden.
  3. Die Einführung der Vorschriften über den elektronischen Rechtsverkehr (§ 52 a FGO) beinhalten keine Abschaffung der durch Rechtsprechung des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (Beschluss vom 5.2.2000 GmS-OGB 1/98, BGHZ 144,160) bestätigten Möglichkeit, bestimmte Schriftsätze mittels einfachem Telefax zu übermitteln.
 

Normenkette

FGO §§ 52a, 72 Abs. 2; TKG § 3 Nr. 16

 

Streitjahr(e)

2011

 

Tatbestand

Die Klage wurde mit dem Telefaxeingang vom 04.12.2018 in hinreichend deutlicher und lesbarer Weise zurückgenommen.

 

Entscheidungsgründe

Nachdem die Klage mit dem Telefaxeingang vom 04.12.2018 in hinreichend deutlicher und lesbarer Weise zurückgenommen worden ist, war das Verfahren gemäß § 72 Absatz 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) einzustellen.

Der Wirksamkeit der Rücknahme steht nicht entgegen, dass die Rücknahmeerklärung als Telefaxschreiben ohne qualifizierte elektronische Signatur über das allgemeine Telefonnetz übermittelt wurde. Soweit davon abweichend das Verwaltungsgericht Dresden in den Urteilen vom 21.11.2017 2 K 2108/16, juris und vom 2. Oktober 2018 2 K 302/18, juris zu dem mit § 52a FGO im Kern inhaltsgleichen § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) die Rechtsauffassung vertreten hat, dass ein Telefax ein elektronisches Dokument im Sinne von § 55a VwGO sei und daher die – unter anderem eine qualifizierte elektronische Signatur erfordernden – Voraussetzungen des § 55a VwGO erfüllen müsse, folgt der hier beschließende Einzelrichter dem nicht.

Das Wortlautargument geht fehl, weil der Gesetzgeber mit Worten bestimmte Sachverhalte erfassen will. Es würde daher niemand auf die Idee kommen, dass ein Gericht dem Anspruch der Beteiligten auf Erteilung einer „Abschrift” (§ 78 Abs. 1 Satz 2 FGO) durch handschriftliches Abschreiben des Originals folgen leisten muss; es genügt ein Kopiergerät. Umgekehrt sollte mit § 52a FGO deshalb aus Sicht des Gesetzgebers im Kern nur E-Mails (d.h. Zustellung über Internet), nicht aber trotz heute elektronischer Grundlage die Verwendung des regulierten öffentlichen Telefonnetzes (§ 3 Nr. 16 TKG) ausgeschlossen werden. Denn aus den zuletzt (am 01.12.2018) von Müller unter http://ervjustiz.de/vg-dresden-verlangt-fax-mit-qualifizierter-signatur dargelegten Gründen, auf die im Einzelnen verwiesen wird, war mit der Einführung der Vorschriften über den elektronischen Rechtsverkehr (für das finanzgerichtliche Verfahren in § 52a FGO, siehe aber neben § 55a VwGO ebenso auch § 130a der Zivilprozessordnung) keine Abschaffung der durch Rechtsprechung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (Beschluss vom 05.02.2000 GmS-OGB 1/98, BGHZ 144, 160) bestätigten Möglichkeit, bestimmende Schriftsätze (hier die Rücknahme) mittels „einfachem” Telefax zu übermitteln, verbunden (so ausdrücklich Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 30.03.2006 8 B 8/06; ferner z. B. implizit durch Bejahung der Wiedereinsetzung durch rechtzeitiges Telefax ohne Überprüfung des § 52a FGO Bundesfinanzhof, Beschluss vom 26.07.2011 VII R 30/10, BFHE 234, 118, BStBl. II 2011, 925). Ein auf Abschaffung der von bestimmenden Telefaxschreiben gerichteter gesetzgeberischer Wille ist trotz des durchaus hinreichend weiten Wortlauts („elektronisches Dokument”), der im Rahmen einer Auslegung von Gesetzen aber nicht allein entscheidend ist (vgl. z. B. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 06.06.2018 1 BvL 7/14, BGBl. I 2018, 882) und trotz der heute technisch möglicherweise ähnlichen (Un-) Sicherheit von Telefaxschreiben einerseits (insbesondere Computerfax ohne Verwendung von Faxgeräten beim Absender und beim Empfänger) und den nach § 52a FGO nicht zulässigen „einfachen” E-Mails (d.h. ohne qualifizierte Signatur und ohne sog. sicheren Übertragungsweg) anderseits nicht hinreichend deutlich erkennbar.

Dazu kommt, dass die Nichtanwendung des § 52a FGO für die Beteiligten wegen des weiterhin möglichen Rückgriffs auf die Übermittlung mittels Telefax im Kern keine belastende Regelung ist. Wenn man diese Möglichkeit durch eine entsprechende Auslegung des § 52a FGO ausschließen würde, wäre dies eine belastende Auslegung, die nicht hinreichend berücksichtigen würde, dass § 52a FGO im Kern „nur” eine Formvorschrift ist und dass das Gericht – was ggf. durch Beweiswürdigung oder zusätzliche Beweiserhebung festzustellen ist – daneben stets ohnehin als Voraussetzungen für die Zurechnung einer Erklärung zum Verfahrensbeteiligten keine begründeten Zweifel ...

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