rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Begriff des Eingangs einer Ware in den Wirtschaftskreislauf der Union bei zollrechtlichem Fehlverhalten

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Setzt eine Einfuhr im mehrwertsteuerrechtlichen Sinne Art. 2 Abs. 1 d und Art. 30 MwStRL2006/112/EG einen Eingang der in das Gebiet der Union verbrachten Ware in den Wirtschaftskreislauf der Union voraus oder genügt die bloße Gefahr, dass der verbrachte Gegenstand in dem Wirtschaftskreislauf der Union gelangt?
  2. Liegt der Eingang eines in das Gebiet der Union verbrachten Gegenstandes in dem Wirtschaftskreislauf der Union bereits dann vor, wenn der Gegenstand zollrechtswidrig keiner Regelung im Sinne des Art. 61 MwStSysRL zugeführt oder zwar zunächst einer solchen Regelung zugeführt wird, aufgrund eines zollrechtlichen Fehlverhaltens später aber dieser Regelung nicht mehr unterliegt?
 

Normenkette

MwStSystRL Art. 2 Abs. 1d, Art. 30, 60-61, 70-71

 

Streitjahr(e)

2010

 

Nachgehend

EuGH (Urteil vom 10.07.2019; Aktenzeichen C-26/18)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob für im Luftverkehr auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in die Union verbrachte und anschließend bestimmungsgemäß mit einem anderen Flugzeug nach Griechenland weiterbeförderte Gegenstände die Einfuhrmehrwertsteuer in Deutschland entstanden ist, wenn das Verbringen in die Union zollrechtlich vorschriftswidrig (Sachverhaltsvariante 1) oder zwar zollrechtlich vorschriftsmäßig war, die anschließende Weiterbeförderung der Gegenstände nach Griechenland aber ohne die zollrechtlich vorgeschriebene Überführung in das externe gemeinschaftliche Versandverfahren (Sachverhaltsvariante 2) erfolgte.

Mit Schreiben vom 23.10.2008 teilte das Zollamt des Flughafens Stadt X, Griechenland dem Beklagten mit, es habe in dem Zeitraum August 2007 bis August 2008 Unregelmäßigkeiten im gemeinschaftlichen Versandverfahren im Luftverkehr (Art. 444 f. der Zollkodex-Durchführungsverordnung [ZK-DVO]) gegeben. Nach einer als Anlage zu diesem Schreiben übersandten Liste betreffend den Monat Januar 2008 betraf dies Sendungen vom 08., 11., 24., 29. und 30.01.2008 von Stadt Y, Deutschland nach Stadt X, Griechenland. In der Liste angegeben wurden die Nummer des jeweiligen Master Air Waybill (MAWB) und in zwei Spalten „Found Cargo” bzw. „Missing Cargo” jeweils eine bestimmte Anzahl von Einzelsendungen. Sämtliche Waren wurden von der Klägerin, der die Vereinfachungen nach Art. 445 ZK-DVO bewilligt waren, mit dem Flug A befördert. Der Beklagte wertete die Angaben in der Spalte „Missing Cargo” als Fehlmengen und diejenigen in der Spalte „Found Cargo” als Mehrmengen.

Recherchen bei der Klägerin ergaben, dass es sich dabei um unterschiedlichste Waren aus Israel, Mexiko und den USA mit jeweils verschiedenen Empfängern in Griechenland handelte. Neben dem Air Cargo Manifest, aus dem sich die Anzahl der Packstücke des betreffenden MAWB ergab, legte die Klägerin den jeweiligen House Air Waybill (HAWB) und zu sämtlichen Einzelsendungen die Handelsrechnung vor. Anhand dieser Unterlagen konnte der Beklagte die für die Erhebung der Zölle und der Einfuhrmehrwertsteuer erforderlichen Bemessungsgrundlagen (insbesondere Warenart und Zollwert) ermitteln. Die ermittelten Bemessungsgrundlagen und damit die Höhe der Einfuhrabgaben sind zwischen den Beteiligten unstreitig.

Der Beklagte erließ daraufhin am 30.11. (3 Bescheide) und am 01.12.2010 (2 Bescheide) insgesamt fünf an die Klägerin adressierte Einfuhrabgabenbescheide, mit denen er für 18 Einzelsendungen, die alle im Januar 2008 von Stadt Y, Deutschland nach Stadt X, Griechenland befördert worden waren, die Einfuhrabgaben erhob (insgesamt EUR Zoll und EUR Einfuhrumsatzsteuer). Für 14 dieser Sendungen konnte er zu dem betreffenden MAWB in dem automatisierten Tarif- und lokalen Zoll-Abwicklungs-System (ATLAS) der deutschen Zollverwaltung keine Registriernummer finden, die im Fall einer Gestellung von Waren in diesem System generiert wird. Die Klägerin war auch schon im Jahr 2008 Teilnehmerin dieses IT-Verfahrens und verpflichtet, Gestellungsmitteilungen elektronisch in diesem Verfahren zu machen. Der Beklagte nahm daher an, in diesen Fällen seien die Waren ohne die nach Art. 40 des Zollkodex (ZK) vorgeschriebene Gestellung und damit vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht worden, und stützte die Einfuhrabgabenbescheide insoweit auf Art. 202 ZK. In Bezug auf die Einfuhrumsatzsteuer berief sich der Beklagte auf § 21 Abs. 2 des deutschen Umsatzsteuergesetzes (UStG), wonach für die Einfuhrumsatzsteuer die Vorschriften für Zölle sinngemäß gelten.

Bei drei Sendungen konnte in dem System ATLAS eine Registriernummer für summarische Anmeldungen (und damit auch Gestellungsmitteilungen) festgestellt werden. Der Beklagte nahm daher an, dass sich die betreffenden Waren in der vorübergehenden Verwahrung befanden, als sie nach ihrer Ankunft auf dem Flughafen Stadt Y, Deutschland in ein anderes, der Klägerin gehörendes Flugzeug umgeladen und nach Stadt X, Griechenland wei...

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