Rz. 44

Gemäß § 248 Abs. 2 HGB können handelsrechtlich die vom Unternehmen selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenstände des Anlagevermögens – mit Ausnahme der in § 248 Abs. 2 Satz 2 HGB genannten selbst geschaffenen Marken, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten oder vergleichbaren immateriellen Vermögensgegenstände des Anlagevermögens – aktiviert werden. Wird das Aktivierungswahlrecht in einem 1. Schritt dahingehend ausgeübt, dass die immateriellen Anlagegegenstände angesetzt werden sollen, so muss in einem 2. Schritt eine adäquate Bewertung erfolgen.[1] Bei materiellen Vermögensgegenständen erfolgt der Einbezug von Entwicklungskosten aufgrund der nach herrschender Meinung lediglich klarstellenden Wirkung der Bewertungsregelungen auf dieselbe Weise.[2]

 

Rz. 45

Als Herstellungskosten eines immateriellen Vermögensgegenstandes können nur die bei der Entwicklung angefallenen Aufwendungen unter Berücksichtigung der bisherigen Herstellungskostenabgrenzung angesetzt werden (§ 255 Abs. 2, Abs. 2a Satz 1 HGB).[3] Der Gesetzgeber stellt hierbei eine Legaldefinition des Begriffs der Entwicklung anbei: "Entwicklung ist die Anwendung von Forschungsergebnissen oder von anderem Wissen für die Neuentwicklung von Gütern oder Verfahren oder die Weiterentwicklung von Gütern oder Verfahren mittels wesentlicher Änderungen" (§ 255 Abs. 2a Satz 2 HGB).

 

Rz. 46

Ebenso wie die bereits erwähnten auf den Vertrieb entfallenden Kosten dürfen auch Forschungskosten nicht als Herstellungskosten angesetzt werden (§ 255 Abs. 2 Satz 4 HGB).[4] Dies bedeutet demnach auch, dass ein Einbezug in die Bewertung der selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenstände des Anlagevermögens nicht erfolgen darf; ausgenommen sind hiervon durchgeführte Forschungsleistungen im konkreten Auftrag eines Dritten.[5] Auch bezüglich des Begriffs der Forschung präsentiert der Gesetzgeber eine Legaldefinition: "Forschung ist die eigenständige und planmäßige Suche nach neuen wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnissen oder Erfahrungen allgemeiner Art, über deren technische Verwertbarkeit und wirtschaftliche Erfolgsaussichten grundsätzlich keine Aussagen gemacht werden können" (§ 255 Abs. 2a Satz 4 HGB). Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten verlässlich voneinander separiert werden müssen. Sollte dies nicht der Fall sein, so teilen die Entwicklungskosten das Schicksal der Forschungskosten und dürfen nicht als Herstellungskosten aktiviert werden (§ 255 Abs. 2a Satz 4 HGB).

 

Rz. 47

Da bereits die bei der Entwicklung anfallenden Aufwendungen anzusetzen sind, muss eine Zukunftsprognose angestellt werden. Im Zeitpunkt der Aktivierung muss mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden können, dass ein einzeln verwertbarer immaterieller Vermögensgegenstand des Anlagevermögens – ex ante – auch tatsächlich zur Entstehung gelangt.[6] Die Abgrenzung der Aufwendungen für Forschung und Entwicklung richtet sich nach dem einzelfallspezifischen Abschluss der Forschungs- bzw. dem Beginn der Entwicklungsphase.[7] Als Anhaltspunkt kann für den Abschluss der Forschungsphase z. B. die Beendigung der Suche nach Materialien, Vorrichtungen, Produkten, Verfahren, Systemen oder Dienstleistungen angesehen werden. Sodann erfolgt ein Eintritt in die Entwicklungsphase mit dem Entwerfen, Konstruieren und Testen einer gewählten Alternative für neue Materialien, Vorrichtungen, Produkten, Verfahren, Systemen oder Dienstleistungen. Entscheidend ist dabei die dokumentierte Plausibilität und Nachvollziehbarkeit des Abgrenzungszeitpunkts, die z. B. bei Alternierung von Forschungs- und Entwicklungsprozessen problematisch erscheint.[8]

 

Rz. 48

Liegt ein materieller Vermögensgegenstand vor, so gilt der Grundsatz der Maßgeblichkeit.[9] Anders als im Handelsrecht besteht im Steuerrecht jedoch kein Wahlrecht zur Aktivierung selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens. Steuerrechtlich dürfen vielmehr alle immateriellen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens ausschließlich aktiviert werden, wenn sie gegen Entgelt erworben worden sind (§ 5 Abs. 2 EStG). Da es sich in diesem Sinne um einen Anschaffungs- und keinen Herstellungsvorgang handelt, scheidet eine Bewertung mit den Herstellungskosten daher aus. Die immateriellen Wirtschaftsgüter werden daher beim Erwerb von einem Dritten gegen Zahlung einer bestimmten Gegenleistung grundsätzlich mit ihren Anschaffungskosten bewertet.

[1] Küting/Ellmann, in Das neue deutsche Bilanzrecht, 2. Aufl. 2009, S. 271.
[2] Kahle/Haas, WPg 2010, S. 35; Morck, in Koller u. a., HGB Kommentar, 9. Aufl. 2019, § 255 HGB Rz. 12; Poll, in Beck’scher Online-Kommentar HGB, 23. Aufl. 2019, § 255 HGB Rz. 54; Schubert/Hutzler, in Beck’scher Bilanz-Kommentar, 11. Aufl. 2018, § 255 HGB Rz. 481.
[3] Wohlgemuth, in Schulz-Osterloh/Hennrichs/Wüstemann, Handbuch des Jahresabschlusses, Abt. I/10 Rz. 65b, Stand: 2/2019. Zur grundlegenden Kritik Küting, DStR 2009, S. 293.
[4] Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung u...

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