Rz. 35

Zinsen für Fremdkapital gehören grundsätzlich nicht zu den Herstellungskosten, da für diese ein gesetzlich vorgeschriebenes Aktivierungsverbot vorherrscht (§ 255 Abs. 3 Satz 1 HGB). Wird Fremdkapital zur Herstellungsfinanzierung eines Vermögensgegenstandes verwendet, dürfen die Fremdkapitalzinsen aktiviert werden, wenn und insoweit sie auf den Zeitraum (zeitliche Komponente) der Herstellung (nicht eng auszulegende sachliche Komponente) entfallen ("Bauzeitzinsen"[1]) (§ 255 Abs. 3 Satz 2 1. Halbsatz HGB).[2] Werden sie aufgrund dieses gewährten Wahlrechts aktiviert, gelten sie lediglich als Herstellungskosten des Vermögensgegenstandes (§ 255 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz HGB). Es bleibt folglich dabei, dass die Zinsen keine Herstellungskosten darstellen, sondern lediglich als solche fingiert werden.[3]

 

Rz. 36

Das handelsrechtliche Bewertungswahlrecht für Zinsen im Rahmen der Herstellungsfinanzierung gilt auch für die Steuerbilanz respektive für die steuerliche Gewinnermittlung (R 6.3 Abs. 5 Satz 1 EStR). Im Kontext der steuerlichen Gewinnermittlung wird somit ebenfalls ein Aktivierungswahlrecht fingiert.[4] Aus dem handelsrechtlichen Aktivierungswahlrecht wird daher kein steuerrechtliches Aktivierungsgebot.[5]

 

Rz. 37

Daraus folgt, dass Fremdkapitalzinsen auch steuerrechtlich grundsätzlich als laufende Betriebsausgaben zu behandeln sind. Nur soweit das Fremdkapital zur Herstellungsfinanzierung verwendet wird und die Zinsen auf den Herstellungszeitraum entfallen, besteht auch steuerlich die Möglichkeit zur Aktivierung. Die Finanzverwaltung geht hierbei nicht von einem eigenständigen Aktivierungswahlrecht aus, das unabhängig von der Bewertung in der Handelsbilanz ausgeübt werden kann, sondern sich im Rahmen der formellen Maßgeblichkeit an der konkreten Wahlrechtsausübung in der Handelsbilanz ausrichtet (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 EStG).[6] Werden in der Handelsbilanz insoweit keine Herstellungskosten aktiviert, entfällt auch in der steuerlichen Gewinnermittlung eine Aktivierung. Werden in der Handelsbilanz vice versa die Fremdkapitalzinsen als Herstellungskosten aktiviert, so sind diese auch in der steuerlichen Gewinnermittlung zwingend als Herstellungskosten zu fingieren (R 6.3 Abs. 5 Satz 1 EStR).

[1] Umfassend Haupt, DStR 2008, S. 1814 ff.
[2] Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung, 10. Aufl. 2019, Rz. 136 ff.; Müller/Kreipl, in Bertram u. a., Haufe HGB Bilanz Kommentar, 9. Aufl. 2018, § 255 HGB Rz. 204 ff.
[3] IDW RS HFA 31, Rz. 23 f.; Schubert/Hutzler, in Beck’scher Bilanz-Kommentar, 11. Aufl. 2018, § 255 HGB Rz. 502.
[4] BMF, Schreiben v. 12.03.2010, IV C 6 – S 213/09/10001, BStBl 2010 I S. 239, Rz. 5; Kußmaul, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 7. Aufl. 2014, S. 66.
[5] Kulosa, in Schmidt, EStG Kommentar, 38. Aufl. 2019, § 6 EStG Rz. 206.
[6] BMF, Schreiben v. 12.03.2010, IV C 6 – S 213/09/10001, BStBl 2010 I S. 239, Rz. 6; Kußmaul, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 7. Aufl. 2014, S. 66, Fn. 110; Müller/Kreipl, in Bertram u. a., Haufe HGB Bilanz Kommentar, 9. Aufl. 2018, § 255 HGB Rz. 204; Teschke, in Kanzler/Kraft/Bäuml, EStG Kommentar, 4. Aufl. 2019, § 6 EStG Rz. 37.

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