Sachverhalt

Bei dem Verfahren ging es um die Frage, ob der Begriff des freien Berufes in Anhang F Nr. 2 der 6. EG-Richtlinie ein eigenständiger Begriff des Gemeinschaftsrechts ist. Streitig war, ob darunter auch die Tätigkeit eines Hausverwalters fällt, der mit der Verwaltung bebauter Grundstücke nach dem luxemburgischen Wohnungseigentumsgesetz betraut ist. In dem Verfahren war nicht - wie es folgerichtig gewesen wäre - streitig, ob die Tätigkeit nach Art. 28 Abs. 3 i.V.m. Anhang F Nr. 2 der 6. EG-Richtlinie steuerbefreit ist, sondern ob der ermäßigte Steuersatz angewendet werden kann, der in Luxemburg auch für Dienstleistungen im Rahmen freiberuflicher Tätigkeiten gilt.

Nach den Schlussanträgen des Generalanwalts vom 29.3.sollte der EuGH für die ihm gestellten Fragen unzuständig sein. Die Frage, ob ein Wohnungsverwalter freiberuflich tätig wird, falle in den Entscheidungsbereich der Mitgliedstaaten und betreffe nicht das Gemeinschaftsrecht. Der EuGH hat sich den Schlussanträgen nicht angeschlossen, sondern sich für zuständig erklärt. Der Umstand, dass ein gemeinschaftsrechtlicher Begriff, um dessen Auslegung ersucht werde, im Rahmen des nationalen Rechts unter anderen Voraussetzungen als nach der entsprechenden Gemeinschaftsbestimmung (zur Entscheidung über eine Steuerermäßigung statt einer Steuerbefreiung) angewandt werden soll, sei nicht geeignet, jeden Zusammenhang zwischen der erbetenen Auslegung und dem Gegenstand des Rechtsstreits auszuschließen.

 

Entscheidung

Nach der Entscheidung in der Sache sind die in Anhang F Nr. 2 der 6. EG-Richtlinie erwähnten freien Berufe Tätigkeiten, die ausgesprochen intellektuellen Charakter haben, eine hohe Qualifikation verlangen und gewöhnlich einer genauen und strengen berufsständischen Regelung unterliegen. Bei der Ausübung einer solchen Tätigkeit habe das persönliche Element besondere Bedeutung, und diese Ausübung setze auf jeden Fall eine große Selbständigkeit bei der Vornahme der beruflichen Handlungen voraus. Der EuGH hat dem Vorlagegericht nur sachdienliche Hinweise gegeben, auf deren Basis das Gericht feststellen muss, ob die Tätigkeit eines Wohneigentumsverwalters als freiberufliche Tätigkeit angesehen werden kann. Das nationale Gericht muss bei seiner Entscheidung auch den Grundsatz der steuerlichen Neutralität beachten. Zwar dürfen die Mitgliedstaaten die Umsätze, die sie auf der Basis von Übergangsregelungen (hier: Art. 28 Abs. 2 Buchst. e der 6. EG-Richtlinie) ermäßigt besteuern, selbst definieren. Dabei dürfen sie aber gleichartige und daher miteinander im Wettbewerb stehende Waren oder Dienstleistungen nicht unterschiedlich, d.h. mit unterschiedlichen Steuersätzen behandeln.

 

Hinweis

Das Urteil hat für das deutsche Umsatzsteuerrecht keine unmittelbare Bedeutung, da Deutschland von der Übergangsregelung nach Art. 28 Abs. 2 Buchst. e der 6. EG-Richtlinie keinen Gebrauch machen kann. Soweit freiberufliche Tätigkeiten angesprochen sind, unterliegen im deutschen Recht nur die Leistungen der Zahntechniker sowie bestimmte Leistungen der Zahnärzte dem ermäßigten Steuersatz (§ 12 Abs. 2 Nr. 6 UStG). Diese Regelung beruht auf Anhang H Nr. 16 der 6. EG-Richtlinie, wonach medizinische Versorgungsleistungen und zahnärztliche Leistungen dem ermäßigten Steuersatz unterliegen können, soweit sie nicht nach Art. 13 der 6. EG-Richtlinie steuerbefreit sind. Im deutschen Recht sind die Leistungen der Zahntechniker nicht in Anwendung von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. e der 6. EG-Richtlinie steuerfrei. Deutschland macht von der Übergangsregelung nach Art. 28 Abs. 3 Buchst. a in Verbindung mit Anhang E Nr. 2 der 6. EG-Richtlinie Gebrauch, wonach die in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. e bezeichneten Umsätze für eine Übergangszeit weiterhin besteuert werden dürfen.

 

Link zur Entscheidung

EuGH, Urteil vom 11.10.2001, C-267/99

(Christiane Adam)

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