Bei Kündigung des Handelsvertretervertrags seitens des Unternehmens – oder unter engen Voraussetzungen, z. B. Unzumutbarkeit der weiteren Tätigkeit aus Altersgründen, – vom Handelsvertreter selbst, kann Letzterer einen Ausgleichsanspruch verlangen (§ 89b HGB).

§ 89b Abs. 3 Nr. 1 1. Alt. HGB dient nicht dazu, dem Handelsvertreter zu ermöglichen, sein eigenes unternehmerisches Risiko einseitig auf den Unternehmer zu verlagern. Dieser gibt nicht schon dann begründeten Anlass für eine Eigenkündigung des Handelsvertreters, wenn er es unterlassen hat, dem Handelsvertreter von sich aus eine Reduzierung der Tankstellenpacht anzubieten, um dem Handelsvertreter die Erzielung eines ausreichenden Gewinns zu ermöglichen.[1]

Es ist Sache des Handelsvertreters, seinen Ausgleichsanspruch im Einzelnen zu beziffern. Für die Berechnung existieren diverse Methoden.[2] Ausgangspunkt der Berechnung sind die in den letzten 12 Tätigkeitsmonaten vor Ende des Vertrags dem Handelsvertreter zugeflossenen Provisionen (Rohausgleich). Der Ausgleich ist nach oben begrenzt auf eine Jahresprovision nach dem Durchschnitt der letzten 5 Jahre bzw. bei kürzerer Dauer des Vertrags entsprechend.

Der Ausgleichsanspruch besteht, wenn und soweit

  • der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, auch nach Beendigung des Handelsvertretervertrags Vorteile hat, und
  • eine Ausgleichszahlung unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit diesen Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht (§ 89b Abs. 1 HGB).

Provisionsverluste sind nur einer von mehreren Gesichtspunkten im Rahmen der Billigkeitsprüfung, aber keine selbstständige Tatbestandsvoraussetzung.[3]

 
Hinweis

Ausgleichsansprüche bezüglich Stammkunden

Auszugleichende Unternehmervorteile und Provisionsverluste können nur aus Geschäftsbeziehungen zu solchen Kunden herrühren, die zu Stammkunden geworden sind. Stammkunden sind grundsätzlich alle Mehrfachkunden, die innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes, in dem üblicherweise mit Nachbestellungen zu rechnen ist, mehr als nur einmal ein Geschäft mit dem Unternehmer abgeschlossen haben oder voraussichtlich abschließen werden.[4]

Der Werbung eines neuen Kunden steht es gleich, wenn der Handelsvertreter die Geschäftsverbindung mit einem Kunden so wesentlich erweitert hat, dass dies wirtschaftlich der Werbung eines neuen Kunden entspricht. Bisher wurde dies von den Gerichten so ausgelegt, dass eine wesentliche Erweiterung nur dann vorliegt, wenn es zu einer Steigerung eines Kunden um mindestens 100 % gekommen ist. Als "wesentliche Erweiterung" sind nach Ansicht des OLG Celle aber auch diejenigen Umsatzsteigerungen anzusehen, die einen Prozentsatz von mehr als 50 % erreichen.[5]

Der EuGH bejaht Ausgleichs- und Schadensersatzansprüche des Handelsvertreters auch bei Beendigung des Handelsvertretervertrags in der Probezeit.[6] Der Handelsvertreter muss seinen Ausgleichsanspruch innerhalb eines Jahrs nach Vertragsende – formlos – geltend machen (§ 89b Abs. 4 Satz 2 HGB). Die Ansprüche aus dem Vertragsverhältnis verjähren in 3 Jahren, beginnend mit dem Schluss des Jahrs, in dem sie fällig geworden sind. Der Ausgleichsanspruch kann nicht vor Vertragsbeendigung durch Vereinbarung eingeschränkt oder ausgeschlossen werden (§ 89b Abs. 4 Satz 1 HGB). Bei bzw. nach Vertragsbeendigung sind jedoch Vereinbarungen über die Zahlung und die Höhe eines Ausgleichsanspruchs möglich.

[1] OLG München, Endurteil v. 2.2.2017, 23 U 2749/16, ZVertriebsR 2017 S. 189.
[2] BGH, Urteil v. 11.11.2009, VIII ZR 249/08 (Ausgleichsanspruch eines Tankstellenhalters), VersR 2010 S. 480; BGH, Urteil v. 13.1.2010, VIII ZR 25/08, DB 2010 S. 8.
[5] OLG Celle, Urteil v. 16.22017, 11 U 88/16, GWR 2017 S. 246.
[6] EuGH, Urteil v. 19.4.2018, C-6545/16, WM 2018 S. 972.

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