Leitsatz

Der in Haftung genommene GmbH-Geschäftsführer ist im Haftungsverfahren mit Einwendungen gegen die formell bestandskräftigen Lohnsteuern ausgeschlossen, wenn er im Insolvenzverfahren den im Prüfungstermin angemeldeten Forderungen des Finanzamts nicht widersprochen hat.

 

Sachverhalt

Der Kläger war Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, über deren Vermögen am 1.1.2010 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Da für die Insolvenzgläubiger keine Quotenaussichten bestanden, nahm das Finanzamt den Kläger als Haftungsschuldner für rückständige Lohnsteuern der GmbH in Haftung. Die rückständigen Steueransprüche beruhten auf den von der GmbH eingereichten, bestandskräftigen Lohnsteueranmeldungen für August und September 2009.

Nach der erfolglosen Durchführung eines Einspruchsverfahrens gegen den Haftungsbescheid hat der Kläger Klage erhoben. Er macht geltend, dass für die entsprechenden Monate keine Löhne mehr gezahlt worden seien. Die anderslautenden Angaben des Insolvenzverwalters seien ihm nicht verständlich.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht hat entschieden, dass sich der Kläger den Inhalt der bestandskräftigen Lohnsteueranmeldungen entgegenhalten lassen muss. Denn nach § 166 AO entfaltet die Bestandskraft eines Bescheids auch demjenigen gegenüber Wirkung, der in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen (die GmbH) erlassenen Bescheid (die Lohnsteueranmeldungen) als dessen Vertreter (als Geschäftsführer) anzufechten.

Eine Ausnahme ergibt sich nicht daraus, dass es sich bei den Lohnsteueranmeldungen um Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung handelt. Ein in Haftung genommener Vertreter kann zwar innerhalb der Festsetzungsfrist grundsätzlich auf eine Aufhebung bzw. Änderung einer solchen Steuerfestsetzung hinwirken und trotz Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung uneingeschränkt Einwendungen gegen die Richtigkeit dieser Festsetzung und gegen die Höhe der gegen ihn festgesetzten Haftungsschuld geltend machen. Allerdings wurden vorliegend die Regelungen des Besteuerungsverfahrens, wozu auch § 164 AO gehört, durch die ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens geltenden Regelungen der Insolvenzordnung überlagert.

Nach § 176 InsO hat der Schuldner die Möglichkeit, die im Prüfungstermin angemeldeten Forderungen zu bestreiten und den Widerspruch binnen einer Frist von einem Monat zu verfolgen. Nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist gilt ein Widerspruch als nicht erhoben. Dass der Kläger (als gesetzlicher Vertreter der GmbH) einen solchen Widerspruch gegen die (formell bestandskräftigen) Lohnsteuerfestsetzungen zu keinem Zeitpunkt im Insolvenzverfahren erhoben hat, muss er sich im Haftungsverfahren nunmehr entgegenhalten lassen.

 

Hinweis

Das Finanzgericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, weil die Frage der Geltendmachung von Einwendungen gegen einen Lohnsteuer-Haftungsbescheid bei Nichterhebung eines Widerspruchs im Insolvenzverfahren durch den Schuldner noch nicht entschieden ist. Die zwischenzeitlich eingelegte Revision ist beim Bundesfinanzhof unter dem Az. VII R 25/16 anhängig.

 

Link zur Entscheidung

FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 04.07.2016, 2 K 203/16

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