Der Ertragswertmethodik liegt der Gedanke zugrunde, dass sich der objektiviert-reale Wert eines Grundstücks – ähnlich wie beim land- und forstwirtschaftlichen Vermögen – aus seinem nachhaltig erzielbaren Reinertrag ermitteln lässt. Im Ertragswertverfahren ist der auf den Bewertungsstichtag bezogene Barwert (Gegenwartswert) aller zukünftigen Erträge zu ermitteln. Hierbei ist zu beachten, dass die Lebensdauer (Nutzungsdauer) eines Gebäudes – anders als beim Grund und Boden – begrenzt ist. Während die Erträge oder Ertragsanteile für ein Gebäude nur für die am Bewertungsstichtag verbleibende und begrenzte Nutzungsdauer (Restnutzungsdauer) des Gebäudes kapitalisiert werden können, sind die dem Grund und Boden zuzurechnenden Erträge bzw. Ertragsanteile für eine unbegrenzte Nutzungsdauer als "ewige Rente" zu kapitalisieren. Der Wert des Grund und Bodens ist grundsätzlich eine stete Größe, die nur allgemeinen Wertschwankungen unterlegen ist.

Im typisierten vereinfachten Ertragswertverfahren für Zwecke der Grundsteuer wird diesen Grundsätzen der Wertfindung Rechnung getragen, indem der Ertragswert am Bewertungsstichtag aus dem

  • über die Restnutzungsdauer des Gebäudes kapitalisierten jährlichen Reinertrag des Grundstücks (Erträge aus Grund und Boden sowie Gebäude/ohne vorherigen Abzug einer Bodenwertverzinsung) zuzüglich des
  • über die Restnutzungsdauer des Gebäudes abgezinsten Bodenwerts

ermittelt wird.

 
Hinweis

Hintergründe der Regelung

Diesem Vorgehen liegt der Gedanke zugrunde, dass in den Mieten eine Abgeltung des Werts des Grund und Bodens für den Zeitraum der typisierend angenommenen Restnutzungsdauer bereits enthalten ist und nach Ablauf der Restnutzungsdauer des Gebäudes der Wert des Grund und Bodens verbleibt. Der jährliche Reinertrag des Grundstücks wird daher in Abhängigkeit der Restnutzungsdauer des Gebäudes kapitalisiert und der heutige Wert des Grund und Bodens in Abhängigkeit der Restnutzungsdauer des Gebäudes auf den Bewertungsstichtag abgezinst.

 
Wichtig

Typisierende Regelungen

Für Ein- und Zweifamilienhäuser, Mietwohngrundstücke und Wohnungseigentum wird ein vorgegebener durchschnittlicher Sollertrag in Form einer Nettokaltmiete je Quadratmeter in Abhängigkeit der Lage des Grundstücks typisierend angenommen. Dieses Vorgehen soll in den meisten Fällen eine weitestgehend automatisierte Feststellung von Grundsteuerwerten sowie zukünftig bei gleichbleibenden tatsächlichen Verhältnissen eine vorausgefüllte Steuererklärung ermöglichen.

Den unterschiedlichen Ausprägungen einzelner Grundstücksarten wird insbesondere durch spezifische Bewirtschaftungskosten und Liegeschaftszinssätze Rechnung getragen.

Das typisierte Ertragswertverfahren[1] stellt sich demnach schematisch wie folgt dar:

 

Schema: Typisiertes Ertragswertverfahren

  Jährlicher Rohertrag § 254 BewG, Anlage 39 zum BewG
./. nicht umlagefähige Bewirtschaftungskosten § 255 BewG, Anlage 40 zum BewG
= jährlicher Reinertrag § 253 Abs. 1 BewG
x Vervielfältiger/Barwertfaktor §§ 253 Abs. 2, 256 BewG, Anlage 37, 38 zum BewG
= Barwert des Reinertrags §§ 252, 253 BewG
+ abgezinster Bodenwert § 257 BewG, Anlage 41 zum BewG
= Grundsteuerwert § 252 BewG

Einzelheiten der Ermittlung des Barwerts des Reinertrags

Zur Ermittlung des kapitalisierten Reinertrags ist vom Reinertrag des Grundstücks auszugehen. Dieser ergibt sich aus dem Rohertrag des Grundstücks[2] abzüglich der Bewirtschaftungskosten[3].[4]

  • Rohertrag des Grundstücks

Der jährliche Rohertrag des Grundstücks ergibt sich aus den in Anlage 39 zum BewG nach

  • Land,
  • Gebäudeart,
  • Wohnfläche und
  • Baujahr des Gebäudes

angegebenen monatlichen Nettokaltmieten je qm Wohnfläche einschließlich der in Abhängigkeit der Mietniveaustufen festgelegten Zu- und Abschläge.

Bei Wohngebäuden (Ein- und Zweifamilienhäuser, Mietwohngrundstücke und Wohungseigentum) wird der Jährliche Rohertrag, der die Ausgangsgröße für die Bewertung im Ertragswertverfahren darstellt, aus Vereinfachungsgründen regelmäßig auf der Grundlage von aus dem Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes abgeleiteten Nettokaltmieten je qm Wohnfläche, die in

  • 3 Grundstücksarten,
  • 3 Wohnflächengruppen sowie
  • 5 Baujahrgruppen

unterschieden werden, ermittelt.

 
Hinweis

Regelung trägt zur Vereinfachung bei

Die Anwendung einer durchschnittlichen Miete auf statistischer Grundlage vereinfacht in einem Massenverfahren insbesondere die Fälle, in denen Grundstücke eigengenutzt, ungenutzt, zu vorübergehendem Gebrauch oder unentgeltlich überlassen werden. Die Erklärung der tatsächlichen Mieteinnahmen durch den Steuerpflichtigen und die Ermittlung einer üblichen Miete i. S. des § 79 Abs. 2 BewG ist daher entbehrlich.

Auszugsweise stellt sich Teil I der Anlage 39 zu § 254 BewG wie folgt dar:

 

Monatliche Nettokaltmieten in EUR/qm Wohnfläche (Wertverhältnisse/Stand 1.1.2022

Land Gebäudeart Wohnfläche (je Wohnung) Baujahr des Gebäudes
bis 1948 1949 bis 1978 1979 bis 1990 1991 bis 2000 ab 2001
Saarland Einfamilienhaus unter 60 qm 6,54 6,65 6,84 6,86 7,07
von 60 qm bis unter 100 qm 5,67 5,75 5,92 5,94 6,11
100 ...

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