Kommentar

Der BFH hat abweichend von der seitherigen Rechtsprechung entschieden, daß Vermögensschäden – im Streitfall Aufwendungen zur Beseitigung von Schäden, die an einem Einfamilienhaus durch Rückstau in der Abwasserleitung entstanden sind – als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sein können. Dem stehe die sog. Gegenwerttheorie nicht entgegen. Soweit Werte (infolge der Beseitigung von Schäden an Haus und Möbeln) endgültig abgeflossen sind, fehle es nicht – wie bei einer reinen Vermögensumschichtung – an einer Belastung des Steuerpflichtigen (Hinweis auf das BFH-Urteil v. 29. 11.1991, III R 74/87, BStBl 1992 II S. 290 ).

Entgegen der damaligen Auffassung der Finanzverwaltung und der früheren Rechtsprechung des BFH ergebe sich auch keine Beschränkung der außergewöhnlichen Belastung auf Belastungen des (laufenden) Einkommens . Der Ausschluß von Vermögensbelastungen lasse sich aus Wortlaut und Zweck des § 33 EStG nicht herleiten. Die sog. Vermögensbelastungstheorie sei auch deshalb aufzugeben, weil sie zu einer Benachteiligung sozial schwächerer Steuerpflichtiger führe. Denn soweit diese kein ausreichendes laufendes Einkommen haben, müßten sie die Ausgaben, die andere Steuerpflichtige noch aus dem Einkommen finanzieren, bereits aus dem Vermögen bestreiten.

Der BFH hält es allerdings für geboten , in Fällen von Vermögensschäden den gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen der Zwangsläufigkeit und Außergewöhnlichkeit erhöhte Bedeutung zu schenken. Voraussetzung für die Berücksichtigung von Schäden an Vermögensgegenständen sei, daß diese für den Steuerpflichtigen von existentieller Notwendigkeit sind. Es dürften außerdem keine Anhaltspunkte für ein Verschulden des Steuerpflichtigen erkennbar sein. Ferner dürfen realisierbare Ersatzansprüche gegen Dritte nicht gegeben sein. Eine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung scheide auch dann aus, wenn der Steuerpflichtige eine allgemein zugängliche und übliche Versicherungsmöglichkeit nicht wahrgenommen hat.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 06.05.1994, III R 27/92

Hinweis:

Der Aufgabe der Vermögensbelastungstheorie ist zuzustimmen. Die vorstehend mitgeteilte Entscheidung liegt insoweit auf einer Linie mit einer ganzen Reihe von Verwaltungsanweisungen, die im Hinblick auf die Beseitigung von Schäden an selbstgenutzten Häusern und Wohnungen nach größeren Naturkatastrophen schon früher die steuerliche Berücksichtigungsfähigkeit angeordnet haben (vgl. Erlaß FinMin Nordrhein-Westfalen v. 28. 12. 1993 S 1915-6-V C 3, FR 1993 S. 162; weitergehend OFD München v. 9. 12. 1993 DB 1994, 119). Den vorstehend zitierten Verwaltungsanweisungen dürfte auch für die in diesen Wochen erlittenen Hochwasserschäden Bedeutung zukommen.

Nicht unproblematisch wird es sein, Kriterien gegen eine unangemessene Ausweitung der Anwendung des § 33 EStG auf Vermögenschäden zu entwickeln. Man wird m. E. die neue Rechtsprechung des BFH nicht auf Schäden an „einfachen” Einfamilienhäusern beschränken können. Wann handelt es sich im übrigen um „einfache” Einfamilienhäuser? – Andererseits ist es aber auch schwer einsehbar, daß der Ausgleich von Schäden an Luxusgütern auf die Allgemeinheit abgewälzt werden soll. Insoweit stellt sich die Frage, ob das Wohnen im eigenen Haus tatsächlich noch generell als Befriedigung existenzieller Bedürfnisse angesehen werden soll.

außergewöhnliche Belastung

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