§ 1 Abs. 3 GrEStG verfolgt das Ziel, Steuerumgehungen zu vermeiden. Die Vorschrift findet nur insoweit Anwendung, als eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG nicht in Betracht kommt.

Gegenstand der Besteuerung ist nicht der Erwerb der Anteile als solcher, sondern der Anteilserwerb bildet (nur) den rechtstechnischen Anknüpfungspunkt. Liegen die Voraussetzungen nach § 1 Abs. 3 GrEStG vor, wird die durch den Erwerb der Anteile hervorgerufene veränderte Zuordnung, der der Personen- bzw. Kapitalgesellschaft nach wie vor gehörenden Grundstücke, der Besteuerung unterworfen.

Die Vorschrift beruht auf der Vorstellung, dass derjenige, der die Anteile an der Personen- bzw. Kapitalgesellschaft unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 GrEStG hält, auch die alleinige, dem Eigentum vergleichbare, Herrschaft über die der Personen- bzw. Kapitalgesellschaft gehörenden Grundstücke hat. Die Vorschrift fingiert bei Vorliegen der Voraussetzungen einen Rechtsträgerwechsel und damit entsprechende Grundstückserwerbe. Die Anteilsvereinigung gilt als Erwerb von der Gesellschaft und die Anteilsübertragung als Erwerb vom Veräußerer.[1]

§ 6 Abs. 2 und Abs. 3 GrEStG ist anwendbar, wenn der Tatbestand bei einer grundbesitzverwaltenden Personengesellschaft verwirklicht wird.[2] Das gilt sowohl im Fall der Anteilsvereinigung[3] als auch im Fall der Anteilsübertragung.[4]

 
Praxis-Beispiel

Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG

Bei einer GmbH & Co. KG mit Grundbesitz erwirbt ein Kommanditist sowohl die anderen Kommanditanteile als auch mindestens 90 % der Anteile an der Komplementär-GmbH.

§ 6 Abs. 2 und 3 GrEStG ist anwendbar, da der Kommanditist, in dessen Hand sich die Anteile i. S. d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG vereinigen, grunderwerbsteuerlich so behandelt wird, als habe er das Grundstück von der Gesellschaft erworben. Für den Anwendungsbereich des § 6 GrEStG liegen somit fiktive Grundstücksübertragungen von der GmbH & Co. KG auf den künftigen Alleinkommanditisten vor.[5]

[1] Vgl. Schnitter in: Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG, § 1 GrEStG Erwerbsvorgänge, 118. Ergänzungslieferung, April 2022, Rz. 295 und 296.
[5] Vgl. die gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 12.11.2018, BStBl 2018 I S. 1334, Tz. 4.2, allerdings mit der Maßgabe, dass mindestens 90 % der Anteile erworben werden.

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