Leitsatz

1. Die unentgeltliche Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück unter Geschwistern, die ein Elternteil in einem Schenkungsvertrag durch Auflage gegenüber dem beschenkten Kind angeordnet hat, kann, ebenso wie die Verpflichtung hierzu, aufgrund einer Zusammenschau grunderwerbsteuerrechtlicher Befreiungsvorschriften von der Grunderwerbsteuer befreit sein, wenn sich der tatsächlich verwirklichte Grundstückserwerb im Grunde als abgekürzter Übertragungsweg darstellt.

2. Die Steuerfreiheit des Grundstückserwerbs kann sich aus der mehrfachen Anwendung derselben grunderwerbsteuerrechtlichen Befreiungsvorschrift für die unterbliebenen Zwischenerwerbe ergeben.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Nr. 2, § 3 Nr. 6 GrEStG, § 44 Abs. 1 AO, § 328 Abs. 1, § 330, § 525 Abs. 1 BGB

 

Sachverhalt

im Jahr 2002 hatte die Mutter des Klägers diesem und seiner Schwester je hälftigen Miteigentum am Grundstück 1 unter Vorbehalt eines Nießbrauchs übertragen.

Im Jahr 2010 übertrug die Mutter ein Grundstück 2 auf die Schwester ebenfalls unter Nießbrauchsvorbehalt. Die Mutter ordnete als Auflage an, dass die Schwester ihren hälftigen Anteil am Grundstück 1 auf den Kläger unter Übernahme der im Grundbuch zugunsten der Mutter eingetragenen Belastung zu übertragen habe. Der Kläger musste sich diesen Erwerb auf seinen Pflichtteilsanspruch anrechnen lassen.

Für die Übertragung des Grundstücks 1 von ­der Tochter/Schwester auf den Kläger/Bruder setzte das FA Grunderwerbsteuer fest. Der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage gab die Vorinstanz (FG Düsseldorf, Urteil vom 1.7.2015, 7 K 1256/14 GE, Haufe-Index 8383711, EFG 2015, 1625) statt. Hiergegen richtet sich die Revision ­des FA.

 

Entscheidung

Die Revision ist unbegründet. Richtig hat die Vorinstanz entschieden, dass die Übertragung von der Schwester auf den Bruder (den Kläger) aufgrund einer Zusammenschau von grunderwerbsteuerlichen Befreiungsvorschriften keine Steuer auslöst.

Die Übertragung des Miteigentumsanteils aufgrund einer Schenkung unter Auflage zwischen Geschwistern ist hier für sich allein betrachtet steuerpflichtig, da weder die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 2 GrEStG noch des § 3 Nr. 6 GrEStG zwischen den Geschwistern eingreift:

  • § 3 Nr. 2 GrEStG scheitert daran, dass es sich zwar möglicherweise um eine Schenkung zwischen der Mutter und dem Sohn (dem Kläger) handelt, keinesfalls aber zwischen der das Grundstück übertragenden Schwester und ihrem Bruder.
  • Eine Befreiung nach § 3 Nr. 6 GrEStG scheitert daran, dass Bruder und Schwester nicht in gerader Linie miteinander verwandt sind.

Eine Zusammenschau der Befreiungsvorschriften ergibt jedoch, dass hier lediglich ein abgekürzter Übertragungsweg gewählt wurde, um einen Ausgleich zwischen den Geschwistern herbeizuführen. Die angeordnete unentgeltliche Übertragung des Miteigentumsanteils von dem mit der Auflage beschwerten Kind auf das erwerbende Kind ist ein abgekürzter Weg der Zuwendung letztlich vom Elternteil auf das erwerbende Kind. Die aus der Zusammenschau resultierende Steuerbefreiung kann auch gewährt werden, da die Konstruktion der Beteiligten einen über die Steuerersparnis hinausgehenden beachtlichen Grund in sich trägt. Es handelt sich offensichtlich um die Neugestaltung der vorweggenommenen Erbfolge, was daraus ersichtlich ist, dass der begünstigte Kläger/Bruder/Sohn die Zuwendung unter Anrechnung auf seinen Pflichtteil erhält. Die Steuerbefreiung ist nunmehr in vollem Umfang zu gewähren.

 

Hinweis

Im Besprechungsfall geht es um die für den Steuerpflichtigen günstige "Zusammenschau" (früher "interpolierende Betrachtung") von Steuervergünstigungen bei der Grunderwerbsteuer.

1. Aus der Zusammenschau zweier Befreiungsvorschriften kann sich eine Privilegierung ergeben, die im Wortlaut der Einzelvorschriften – je für ­sich allein betrachtet – nicht zum Ausdruck kommt. Insbesondere kann sich damit eine Steuerbefreiung ergeben, wenn sich der tatsächlich verwirklichte Grundstückserwerb als abgekürzter Weg dar­stellt und die unterbliebenen Zwischenerwerbe, ­wenn sie durchgeführt worden wären, steuerfrei wären.

2. Im Streitfall hatte die Mutter ihrer Tochter und ihrem Sohn bereits hälftige Anteile an einem Grundstück 1 übertragen und sich den Nießbrauch vorbehalten. Später kam ein weiteres Grundstück 2 hinzu, das auf ­die Tochter übertragen werden sollte. Ein Ausgleich sollte dadurch stattfinden, dass der hälftige Anteil am Grundstück 1 von der ­Tochter/Schwester auf ihren Bruder – den Kläger – übertragen werden sollte. Diese ­Übertragung ­zwischen Geschwistern in der Seitenlinie hätte Grunderwerbsteuer ausgelöst. Dagegen wäre die Übertragung des halben Grundstücks 1 zurück auf die Mutter und von dort auf den Sohn, den Kläger, nach § 3 Nr. 6 GrEStG als Erwerb zwischen ­Angehörigen in gerader Linie steuerfrei gewesen (unbeschadet des hier freilich nicht einschlägigen § 42 AO).

3. Der Senat hat die Grundsätze der Zusammenschau verschiedener Steuerbefreiungen dergestalt angewandt, dass er eine Privilegierung durch § 3 Nr. ...

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