1 Leitsatz

Beim rechtsgeschäftlichen Erwerb von Teileigentum ist der vereinbarte Kaufpreis als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer nicht um die anteilige Instandhaltungsrückstellung zu mindern.

2 Das Problem

Im Streitfall hatte die Klägerin u. a. 4 Gewerbeeinheiten erworben. Laut Kaufvertrag ist der Anteil des Verkäufers an den gemeinschaftlichen Geldern (u. a. Instandhaltungsrücklage) bei Besitzübergang auf den Käufer übergegangen.

Das Finanzamt setzte die Grunderwerbsteuer (GrESt) aus dem Gesamtkaufpreis fest. Die Klägerin machte im Einspruchs- und Klageverfahren geltend, die Bemessungsgrundlage sei um die Instandhaltungsrücklage zu mindern. Es handle sich um ein bilanzierungsfähiges Wirtschaftsgut. Als Geldforderung müsse sie aus der Bemessungsgrundlage für die GrESt ausgeschieden werden.

3 Die Entscheidung

Bereits das FG Köln (Urteil v. 17.10.2017, 5 K 2297/16, EFG 2018 S. 470) folgte dieser Auffassung nicht und bezog die miterworbene Instandhaltungsrücklage in die Bemessungsgrundlage für die GrESt ein. Der BFH entschied nun ebenso. Er hatte bereits am 2.3.2016 in 3 Urteilen (II R 27/14, II R 6/15 und II R 29/15) entschieden, dass beim Erwerb einer Eigentumswohnung im Wege des Zwangsversteigerungsverfahrens das Meistgebot nicht um die anteilige Instandhaltungsrücklage zu mindern ist.

Dieser Auffassung ist der BFH nun auch in den Fällen gefolgt, in denen die Eigentumswohnung durch notariellen Kaufvertrag erworben wird. Damit hat er die bislang bestehende Diskrepanz hinsichtlich der Instandhaltungsrücklage zwischen dem Erwerb im Meistgebot und durch Kaufvertrag beseitigt.

Der GrESt unterliegen Rechtsträgerwechsel an inländischen Grundstücken, § 1 i. V. m. § 2 GrEStG. Bemessungsgrundlage ist nach §§ 8, 9 GrEStG die Gegenleistung für das Grundstück. Dies sind alle vom Käufer übernommenen Leistungen und die dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen, mithin alles, was der Käufer dem Verkäufer nach den vertraglichen Vereinbarungen gewährt, um das Grundstück zu erwerben (i. d. R. Kaufpreis).

Dabei ist der Kaufpreis nicht um die Instandhaltungsrücklage zu mindern. Sie ist Teil des Verwaltungsvermögens der Wohnungseigentümergemeinschaft, § 10 Abs. 7 WEG, und als solcher nicht dem Vermögen des bisherigen Wohnungseigentümers, sondern dem Vermögen eines anderen Rechtssubjekts, nämlich der Wohnungseigentümergemeinschaft als unabhängigem teilrechtsfähigem und parteifähigem Verband zuzuordnen.

Das Verwaltungsvermögen besteht aus den im Rahmen der gesamten Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gesetzlich begründeten und rechtsgeschäftlich erworbenen Sachen, Rechte und Verbindlichkeiten. Dazu zählt auch die Instandhaltungsrücklage (vgl. § 21 Abs. 5 Nr. 4 WEG).

Auch bei einem Eigentümerwechsel bleibt die Instandhaltungsrücklage Vermögen der Wohnungseigentümergemeinschaft; es findet kein Rechtsträgerwechsel statt. Die einzelnen Wohnungseigentümer können nicht über einen Anteil am Verwaltungsvermögen verfügen und damit auch nicht im Rahmen des Kaufvertrags mit der Wohnung veräußern.

Somit gehört die Instandhaltungsrücklage zu den Leistungen, die der Käufer zugunsten des Verkäufers erbringt, um die Wohnung zu erwerben.

Zwar wechselt bei Verkauf der Wohnung auch die Mitgliedschaft in der Wohnungseigentümergemeinschaft. Diese Mitgliedschaft kann aber für sich genommen nicht Gegenstand einer gesonderten Veräußerung sein. Sie ist vielmehr untrennbar mit den Leistungen verbunden, die für den Erwerb der Wohnung erbracht werden. Damit darf die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage nicht um die Instandhaltungsrücklage gekürzt werden.

4 Entscheidung

BFH, Urteil v. 16.9.2020, II R 49/17

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