Mit dem Wandel vom Verkäufermarkt zum Einkäufermarkt wird die Produkt- und Dienstleistungskalkulation vielfach nicht mehr durch das liefernde Unternehmen bestimmt. Der Käufer gibt einen Preis vor, den er bereit ist, für die Ware oder Dienstleistung zu zahlen. Auch bei der Entwicklung neuer Produkte stellt sich die Frage, welcher Marktpreis ist erzielbar und kann das Produkt oder die Dienstleistung zu diesem erzielbaren Preis hergestellt werden.

Ein Instrument, das zur Lösung dieser Problematik entwickelt bzw. wieder entdeckt wurde, ist Target Costing (Zielpreiskalkulation). In der klassischen deutschen Betriebswirtschaftslehre gibt es das Instrument der retrograden Kalkulation (rückwärtsgerichtete Kalkulation), das eine ähnliche Zielsetzung verfolgt und in Situationen eingesetzt wurde, in denen die Konkurrenz mit einem niedrigeren Preis aus dem Markt "geboxt" werden sollte.

Grundidee

Der Ansatz des Target Costing geht darüber hinaus. Das hauptsächlich in Japan entwickelte Modell setzt bei der Neuproduktentwicklung an. Für jedes Neuprodukt gibt es in der Regel bereits ein mehr oder weniger entsprechendes Produkt auf dem Markt. Der Preis dieses Produktes und der mögliche Zusatznutzen – falls der Kunde bereit ist, diesen zu bezahlen – bestimmen den erzielbaren Marktpreis des Neuproduktes. Der Grundgedanke, der hinter dem Konzept des Target Costing steht, ist die Kundenorientierung. Welchen Preis ist der Kunde für einen bestimmten Nutzen bereit zu zahlen. Ziel ist am Ende eine Win-Win- Situation, d.h., beide Partner haben einen Vorteil.

Das Instrument der Zielpreiskalkulation lässt sich in verschiedenen Bereichen anwenden:

  • in der Auftragskalkulation,
  • in der Produktentwicklung,
  • in der Wertanalyse mit Lieferanten.

Es wird zwischen einem marktorientierten, einem ingenieurorientierten und einem produktionsorientierten Ansatz unterschieden. Ausgangspunkt ist in allen drei Varianten der am Markt aufgrund von Kundenwünschen möglicherweise erzielbare Preis. Nach Abzug eines angestrebten Zielgewinns (Target Profit) oder Zieldeckungsbeitrags ergeben sich die erlaubten Kosten (Allowable Cost). Bei vorhandenen Produkten werden die vorhandenen Kosten den erlaubten Kosten gegenübergestellt, bei der Neuproduktentwicklung müssen die Kosten vorläufig geschätzt werden. Normalerweise werden diese Kosten zunächst höher sein als die erlaubten Kosten.

4.1 Marktorientierter Ansatz

Ausgangspunkt sind der bestehende Marktpreis eines Produktes oder die Kosten der Mitbewerber. Vom gegebenen Marktpreis wird der angestrebte Gewinn abgezogen und es ergeben sich die zulässigen Kosten. Gehen wir von den Kosten des Wettbewerbs aus, wird der Gewinn zu den vorgegebenen Kosten addiert und es ergibt sich der Zielpreis (vgl. Abb. 7).

Abb. 7: Target-Costing-Prozess

Dieses Verfahren funktioniert natürlich nur, wenn es im Markt vergleichbare Produkte gibt und der Markt transparent ist. Für Marktneuheiten und innovative Produkte ist dieser Ansatz eher ungeeignet. Diese Variante des Target Costing (Zielkostenrechnung) wird hauptsächlich für technische Gebrauchsprodukte wie beispielsweise PCs angewandt.

4.2 Ingenieurorientierter Ansatz

Bei dieser Variante wird das Target Costing mit der Produktionsplanung kombiniert. Das technologische Wissen wird einbezogen. Im Laufe der Produktentwicklung werden regelmäßig Schätzungen zur Überprüfung der Produktkosten vorgenommen. Das Ziel ist, zu einer kontinuierlichen Senkung der Produktionskosten zu kommen. Es handelt sich letztlich um eine Variante des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) oder KAIZEN. In kleinen Schritten werden die Kosten optimiert. Je weiter die Produktentwicklung fortschreitet, desto konkreter werden die Kostensenkungsmaßnahmen. Das Verfahren wird so lange fortgesetzt, bis die Zielkosten erreicht sind und unter Einbeziehung des Zielgewinns ein am Markt durchsetzbarer Preis realisiert werden kann.

4.3 Produktionsfunktionsorientierter Ansatz

Das Produkt wird in seine Funktionen zerlegt. Im Mittelpunkt steht die Bedeutung dieser Funktionen für den späteren Kunden. Die Überlegung ist, dass jede Funktion für den Kunden, den späteren Nutzer, eine Bedeutung beziehungsweise einen Nutzen hat. Dabei kann der Nutzen der einzelnen Funktionen für den Kunden sehr unterschiedlich sein. Er wird jeder Funktion eine Bedeutung beimessen.

Es werden einzelne Funktionen des Produkts ermittelt und ihre Bedeutung für den Kunden wird gewichtet. Auf diese Weise wird für jede Funktion der Anteil an der Gesamtfunktion des Produkts, der Dienstleistung bestimmt. Für die Bestimmung der Zielkosten sind diese ermittelten Funktionsgewichte der Ausgangspunkt (vgl. Abb. 8). Entsprechend dem Gewicht der einzelnen Funktion darf auch der Kostenanteil, den diese Funktion in Anspruch nimmt, nicht höher sein, als der Anteil des Funktionsgewichts. Bekommt beispielsweise die Teilfunktion "Werkzeugwechsel erleichtern" ein Funktionsgewicht von 5 %, so betragen die Zielkosten für die Erfüllung dieser Funktion ebenfalls maximal 5 %.

Abb. 8: Zielkostenkontrolldiagramm

Aus Sicht des Einkaufs sind vor allem der marktorientierte und der produktionsfunkt...

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