Rz. 75

In Ausnahmefällen darf das Wirtschaftsjahr einen Zeitraum von weniger als 12 Monaten umfassen. Dies ist nach § 8b Satz 2 EStDV der Fall, wenn ein Betrieb

  • eröffnet,
  • erworben (s. u.),
  • aufgegeben oder
  • veräußert wird oder
  • ein Steuerpflichtiger von regelmäßigen Abschlüssen auf einen bestimmten Tag zu regelmäßigen Abschlüssen auf einen anderen bestimmten Tag übergeht (Umstellung eines Wirtschaftsjahres; s. u.).[1]

Bezüglich des Erwerbs eines Betriebs sind an dieser Stelle sowohl der entgeltliche als auch der unentgeltliche Erwerb erfasst, sodass in beiden Fällen ein Rumpfwirtschaftsjahr zu bilden ist. Auch wenn der unentgeltliche Erwerb zu Buchwerten möglich ist (§ 6 Abs. 3 EStG), wird das Wirtschaftsjahr des Altbetriebs nicht fortgeführt, da der Gewinn vor und nach dem Erwerb bei verschiedenen Steuerpflichtigen anfällt, die ihren Gewinn je gesondert ermitteln müssen.[2] Anders ist es jedoch im Erbfall, da der Erbe hier im Wege der Universalsukzession (§ 1922 BGB) vollumfänglich in die Rechtsstellung des Erblassers eintritt.[3]

Mit Blick auf Umstellung des Wirtschaftsjahrs ist sodann noch zu erwähnen, dass es in § 8b Satz EStDV wörtlich wie folgt heißt: "Es [das Wirtschaftsjahr; d. Verf.] darf einen Zeitraum von weniger als 12 Monaten umfassen". Dabei ist das Wort "darf" jedoch als "muss" zu lesen, wenn ein entsprechender Sachverhalt im laufenden Wirtschaftsjahr auftritt.[4] In all diesen Fällen, die oben stichpunktartig aufgezählt sind, umfasst das Wirtschaftsjahr einen Zeitraum von weniger als 12 Monaten; man spricht insoweit auch von einem Rumpfwirtschaftsjahr. Die Aufzählung in § 8b EStDV ist dabei aber nicht abschließend. Der Zwang zur Bildung eines Rumpfwirtschaftsjahres kann sich auch aus anderen Gründen ergeben, nämlich bspw. infolge eines Strukturwandels, wenn aus einem bislang land- und forstwirtschaftlichen Betrieb nun ein Gewerbebetrieb wird. In diesem Fall bestimmt sich das Wirtschaftsjahr nicht mehr nach § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG, sondern fortan nach § 4a Abs. 1 Satz 2 Nrn. 2, 3 EStG, sodass es hier durch gesetzliche Anordnung zu einer Anpassung des Wirtschaftsjahrs und damit auch zur Bildung eines Rumpfwirtschaftsjahrs kommen kann. Es handelt sich dabei im Grunde um eine Betriebsaufgabe in Kombination mit einer sich anschließenden Betriebseröffnung, sodass es in diesem Fall auch dann nicht des Einvernehmens der Finanzverwaltung braucht, wenn ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr gewählt wird.[5] Des Weiteren bestimmt § 155 Abs. 2 Satz 1 InsO, dass mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein neues Geschäftsjahr beginnt, sodass sich auch in diesem Fall kraft Gesetzes das Wirtschaftsjahr ändert und ein Rumpfwirtschaftsjahr zu bilden ist. Gleichwohl ist es dem Insolvenzverwalter erlaubt, durch die Bildung eines weiteren Rumpfwirtschaftsjahres wieder zum ursprünglichen Wirtschaftsjahr zurückzukehren, wenn die Beibehaltung des durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geänderten Wirtschaftsjahres für den Betrieb unzweckmäßig ist.[6] Schließlich ist auch bei Umwandlungen ein Rumpfwirtschaftsjahr zu bilden, wenn alte Rechtsträger untergehen und neue entstehen.[7]

 

Rz. 76

Bei der Umstellung des Wirtschaftsjahres darf i. d. R. nur ein Rumpfwirtschaftsjahr entstehen.[8] Beim Zusammentreffen mehrerer Gründe können allerdings ausnahmsweise 2 Rumpfwirtschaftsjahre aufeinander folgen. Das zweimalige Hintereinanderschalten von Rumpfwirtschaftsjahren ist zulässig, wenn sich nach einer ernsthaft gewollten Umstellung herausstellt, dass das alte oder ein anderes Wirtschaftsjahr zweckmäßiger oder vorteilhafter ist.[9]

 

Rz. 77

Eine Ausnahme vom Grundsatz, dass bei Umstellung eines Wirtschaftsjahres nur ein Rumpfwirtschaftsjahr entstehen darf, betrifft z. B. Fälle, in denen der Steuerpflichtige, der auf ein abweichendes Wirtschaftsjahr umgestellt hat, noch vor Ablauf des (neuen) Wirtschaftsjahres seinen Betrieb aufgibt oder veräußert.[10]

 

Rz. 78

Für Steuerpflichtige, die kein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr haben dürfen, z. B. selbstständig Tätige (§ 18 EStG) oder nicht im Handelsregister eingetragene Gewerbetreibende, ergibt sich ein Zwang zur Bildung eines Rumpfwirtschaftsjahres bei Gründung, Erwerb, Aufgabe und Veräußerung. Treffen die Fälle des § 8b Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStDV zusammen, können sich ohne Weiteres 2 Rumpfwirtschaftsjahre ergeben.

 
Praxis-Beispiel

Ein Einzelunternehmer mit Kalenderwirtschaftsjahr wandelt zum 1.10. in eine Personengesellschaft um; diese hat ein abweichendes Wirtschaftsjahr zum 30.6.

 

Rz. 79

Ein handelsrechtlich mögliches Rumpfgeschäftsjahr ist auch ein einkommen- sowie körperschaftsteuerlich zulässiges Rumpfwirtschaftsjahr, sofern das Steuerrecht nicht etwas anderes bestimmt.[11]

 

Rz. 80

Für ein Rumpfwirtschaftsjahr ist eine eigene Gewinnermittlung zu erstellen. Auch im Übrigen zählt ein Rumpfwirtschaftsjahr grundsätzlich als volles Wirtschaftsjahr, so etwa im Rahmen von § 6b und § 7g EStG.[12] Für die Fälle der unentgeltlichen Betriebsübertragung nach § 6 Abs...

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