1 Einführung

 

Rz. 1

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts werden Genussrechte verwendet.[1] Eine erste verstärkte Nachfrage erfuhren sie aber erst in den 1920er- und 1930er-Jahren. Im Zuge der Einführung von stimmrechtslosen Vorzugsaktien durch das AktG im Jahr 1937 traten sie sodann als Finanzierungsinstrument wieder in den Hintergrund.[2] Dies änderte sich mit dem Beginn der 1980er-Jahre. Seit diesem Zeitpunkt erleben Genussrechte eine flächendeckende Renaissance als mezzanines Finanzinstrument.[3] Hauptgründe für ihre "Wiederentdeckung" sind die geringe Eigenkapitalausstattung vieler inländischer Unternehmen, die sich zunehmend verschärfenden Kreditvergabevoraussetzungen der Kreditinstitute, die u. U. realisierbare steuerliche Abziehbarkeit der mit den Genussrechten verbundenen Finanzierungskosten sowie die mögliche Klassifizierung von Genussrechten als wirtschaftliches und ggf. auch als bilanzielles Eigenkapital zur Verbesserung der Eigenkapitalquote. Gegenstand des nachfolgenden Beitrags sind die rechtlichen Grundlagen von Genussrechten sowie die handels- und steuerbilanzielle Behandlung von Genussrechten.

[1] Vgl. Werner, Mezzanine-Kapital, 2. Aufl. 2007, S. 78 f. Zur geschichtlichen Entwicklung von Genussrechten vgl. Ernst, Der Genussschein im deutschen und schweizerischen Aktienrecht, 1963, S. 32 ff.; Bürger, Genussrechte als Mittel zur Verbesserung der Eigenkapitalausstattung von Unternehmen, insbesondere von Kreditinstituten, 1987, S. 5 ff. (Diss.); Fischer, Der Genussschein als kapitalmarktpolitisches Instrument der Unternehmensfinanzierung, 1989, S. 8 ff.; Hanakam, Die steuerliche Beurteilung von Genussrechten als Instrumente der Kapitalbeschaffung, 1991, S. 5 ff. (Diss.).
[2] Vgl. hierzu sowie zum Folgenden Küting/Kessler/Harth, BB 1996, Beilage 4 zu Heft 8, S. 2.
[3] Vgl. ausführlich zur Renaissance der Genussrechte in den 1980er-Jahren Frantzen, Genussscheine, 1993, S. 76 ff. Zur bilanziellen Behandlung von mezzaninen Finanzinstrumenten vgl. ausführlich "Mezzanines Kapital in der Rechnungslegung".

2 Rechtliche Grundlagen von Genussrechten

2.1 Begriff des Genussrechts

 

Rz. 2

Der Begriff des Genussrechts findet sich an zahlreichen Stellen im nationalen Recht.[1] Eine Definition für diesen Begriff ergibt sich allerdings weder aus den gesetzlichen Regelungen im Handelsgesetzbuch noch aus den sonstigen gesellschaftsrechtlichen sowie den aufsichtsrechtlichen und ertragsteuerlichen Vorschriften.[2] Dies ist auf eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers zurückzuführen, der auf eine Begriffsbestimmung verzichtet hat, um die zahlreichen Ausgestaltungsmöglichkeiten und Zweckbestimmungen von Genussrechten nicht einzuschränken und eine flexible Anpassung der Ausgabebedingungen von Genussrechten an zukünftige wirtschaftliche Veränderungen zu ermöglichen.[3] Der Gesetzgeber gewährt damit nach h. M. im Zusammenhang mit der Ausgestaltung von Genussrechten in den sog. Genussrechtsbedingungen überwiegend Vertragsfreiheit.[4] Die Vertragsfreiheit hinsichtlich der Genussrechtsbedingungen findet jedoch ihre Grenzen in den Regelungen über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) gemäß den §§ 305 ff. BGB.[5] Handelt es sich bei den ausgebenden Unternehmen um kapitalmarktorientierte Gesellschaften, sind darüber hinaus auch kapitalmarktbezogene Bestimmungen bei der Festlegung von Genussrechtsvereinbarungen zu beachten.[6] Zudem sind für Aktiengesellschaften vor allem in § 221 AktG besondere Vorschriften über Genussrechte festgeschrieben. Losgelöst von der grundsätzlichen Vertragsfreiheit, den kapitalmarktbezogenen Bestimmungen sowie den Regelungen in § 221 AktG lässt sich aber der Begriff des Genussrechts an den Verwendungsmöglichkeiten, dem rechtlichen Charakter, der Verbriefung sowie den inhaltlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten von Genussrechten näher konkretisieren.[7]

[2] Vgl. dazu bspw. Ziebe, BB 1984, S. 2211; Sarrazin, StbJb 1985/1986, S. 144; Angerer, Genussrechte bzw. Genussscheine als Finanzierungsinstrument, 1993, S. 3; Dross, Genussrechte, 1996, S. 35; Küting/Kessler/Harth, BB 1996, Beilage 4 zu Heft 8, S. 2; Schaber/Kuhn/Eichhorn, BB 2004, S. 315; Stegemann, GStB 2004, S. 208; Florstedt, in Zöllner/Noack, Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl. 2017, § 221 AktG Rz. 511.
[3] Vgl. Ernst, Der Genussschein im deutschen und schweizerischen Aktienrecht, 1963, S. 56 ff.; Knoppe, BB 1966, S. 281; Sontheimer, BB 1984, Beilage 19 zu Heft 30, S. 1 f.; Hedrich/Stedler, ZfgK 1987, S. 192.
[4] Vgl. Drechsler, ZfgK 1981, S. 347; Winterfeld, Sparkasse 1983, S. 328; Claussen, Der Genussschein und seine Einsatzmöglichkeiten, in Hadding, Handels- und Wirtschaftsrecht in der Bankpraxis, Festschrift für Winfried Werner zum 65. Geburtstag am 17. Oktober 1984, 1984, S. 82; Fischer, Der Genussschein als kapitalmarktpolitisch...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge