Rz. 88

Genussrechte stellen ein äußerst interessantes Instrument der Unternehmensfinanzierung dar. Insbesondere die vielfältigen Ausgestaltungsmöglichkeiten von Genussrechten ermöglichen eine unternehmensindividuelle Anwendung. Zudem können Genussrechte nicht nur von Aktiengesellschaften, sondern auch von Gesellschaften anderer Rechtsformen ausgegeben werden.

 

Rz. 89

Die handelsrechtliche Behandlung von Genussrechten ist zwar gesetzlich nicht explizit geregelt. Die Stellungnahme HFA 1/1994 weist aber den richtigen Weg. Die Bilanzierungspraxis sollte sich an dieser Stellungnahme hinsichtlich der handelsrechtlichen Behandlung von Genussrechten orientieren. Sind alle vier in der Stellungnahme HFA 1/1994 angeführten Kriterien gegeben, wird das Genussrechtskapital handelsbilanziell im Eigenkapital ausgewiesen. Zeigt sich dagegen, dass ein Kriterium oder mehrere dieser Kriterien nicht erfüllt sind, ist das Genussrecht handelsbilanziell dem Fremdkapital zuzuordnen. Ein Ausweis des Genussrechtskapitals als Sonderposten zwischen dem Eigenkapital und dem Fremdkapital kommt nicht in Betracht.

 

Rz. 90

Die steuerrechtliche Einordnung von Genussrechtskapital als Eigen- oder Fremdkapital ergibt sich aus dem BMF-Schreiben vom 11.4.2023. Danach ist von fremden Dritten im Rahmen eines schuldrechtlichen Kapitalüberlassungsverhältnisses zugeführtes Genussrechtskapital steuerrechtlich stets als Fremdkapital zu klassifizieren. Bei Genussrechtskapital, welches von einem Anteilseigner oder einer dem Anteilseigner nahestehenden Person im Rahmen eines schuldrechtlichen Kapitalüberlassungsverhältnisses zugeführt wird, liegt steuerrechtlich allerdings nur dann Fremdkapital vor, wenn das Genussrechtskapital lediglich auf Zeit und mit einer Rückzahlungsvereinbarung überlassen wurde. Wurde das zugeführte Genussrechtskapital von einem Anteilseigner oder einer dem Anteilseigner nahestehenden Person dagegen dauerhaft und ohne eine Verpflichtung zur Rückzahlung gewährt, handelt es sich steuerrechtlich um Eigenkapital.

 

Rz. 91

Sofern Genussrechtskapital steuerrechtlich als Fremdkapital eingestuft wird, ist es grundsätzlich als Verbindlichkeit zu passivieren, es sei denn, eine fehlende wirtschaftliche Belastung der Verpflichtung oder ein Passivierungsaufschub nach § 5 Abs. 2a EStG stehen dem entgegen.

 

Rz. 92

Gezahlte Vergütungen auf das Genussrechtskapital stellen Betriebsausgaben i. S. d. § 8 Abs. 1 KStG i. V. m. § 4 Abs. 4 EStG dar, wenn es sich bei der Zuführung von Genussrechtskapital um eine Überlassung von Fremdkapital handelt. Ergänzend ist jedoch sicherzustellen, dass die beiden in § 8 Abs. 3 Satz 2 2. Alternative KStG genannten Kriterien "Beteiligung am Gewinn" und "Beteiligung am Liquidationserlös" nicht kumulativ erfüllt sind. Ansonsten stellen gezahlte Vergütungen auf das Genussrechtskapital steuerrechtlich Gewinnausschüttungen dar. Dies ist gleichermaßen der Fall, wenn Genussrechtskapital vorliegt, das steuerrechtlich als Eigenkapital eingestuft wird.

 

Rz. 93

Mit seinem Schreiben vom 11.4.2023 verfolgt das BMF das Ziel, die ertragsteuerliche Behandlung von Genussrechtskapital möglichst klar und handhabbar zu regeln. Zumindest für die Emittenten von Genussrechtskapital dürfte dies weitgehend erreicht worden sein. Die ertragsteuerliche Behandlung von Genussrechten beim Genussrechtsinhaber wird hingegen im BMF-Schreiben vom 11.4.2023 nicht thematisiert. Es bleibt zu hoffen, dass diese Lücke vom BMF alsbald geschlossen wird.[1]

[1] Vgl. auch Dreßler/Linscheidt, WPg 2023, S. 1104.

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