4.1.1 Einordnung von Genussrechtskapital als Eigen- oder Fremdkapital

 

Rz. 65

Die vorangestellten Ausführungen zur Abbildung von Genussrechten in der Handelsbilanz der emittierenden Gesellschaft lassen sich nicht vollständig auf die Abbildung von Genussrechten in deren Steuerbilanz übertragen. Mit dem Schreiben vom 11.4.2023[1] stellt das BMF klar, dass für die steuerrechtliche Einordnung von Genussrechtskapital als Eigen- oder Fremdkapital zunächst die Mittelherkunft ausschlaggebend ist. Von fremden Dritten im Rahmen eines schuldrechtlichen Kapitalüberlassungsverhältnisses zugeführtes Genussrechtskapital[2] ist danach steuerrechtlich stets als Fremdkapital zu klassifizieren.[3]"Denn in diesem Fall kann ohne weitere Prüfung immer von einer wirtschaftlichen Rückzahlungsverpflichtung ausgegangen werden."[4] Bei Genussrechtskapital, welches von einem Anteilseigner oder einer dem Anteilseigner nahestehenden Person im Rahmen eines schuldrechtlichen Kapitalüberlassungsverhältnisses zugeführt wird, ist dagegen die Mittelherkunft nicht allein entscheidend. Hier ist vielmehr ergänzend zu prüfen, ob das zugeführte Kapital dauerhaft und ohne die Absicht zur Rückzahlung – und somit steuerrechtlich als Eigenkapital oder als Kapitalüberlassung auf Zeit mit einer Rückzahlungsvereinbarung – und damit steuerrechtlich als Fremdkapital zu klassifizieren ist. Entscheidendes Kriterium für das Vorliegen von Fremdkapital ist somit i. d. R. eine bestehende, ernst gemeinte Rückzahlungsverpflichtung für das Genussrechtskapital.

 

Rz. 66

In diesem Kontext behandelt das BMF[5] auch die Frage, wie mit Genussrechtskapital umzugehen ist, welches einem Unternehmen in Krisenzeiten gewährt wird. Grundsätzlich ist eine Kapitalgewährung in der Krise steuerrechtlich dem Fremdkapital zuzuordnen. Daran ändert auch eine eventuelle Vermögenslosigkeit des Schuldners nichts. Für den Fall, dass in einer Krisensituation Genussrechtskapital von einem Anteilseigner oder einer dem Anteilseigner nahestehenden Person gewährt wird und es an einer ernstlich vereinbarten Rückzahlungsverpflichtung dieses Kapitals fehlt, liegt allerdings bereits im Zeitpunkt der Gewährung eine verdeckte Einlage und damit steuerrechtlich Eigenkapital vor.

 

Rz. 67

Darüber hinaus thematisiert das BMF[6] den Umgang mit Genussrechtskapital, das von einem Anteilseigner oder einer dem Anteilseigner nahestehenden Person zugeführt wird und mit Wandlungs- oder Optionsrechten verbunden ist. Derart ausgestaltetes Genussrechtskapital ist im Zeitpunkt seiner Gewährung anhand der in Rz. 65 dargestellten Abgrenzungsregelungen dahingehend zu prüfen, ob die Zuführung des Kapitals mangels tatsächlich bestehender Rückzahlungsverpflichtung auf Dauer ausgelegt ist. In diesem Fall liegt steuerrechtlich Eigenkapital vor. Die Einräumung von Wandlungs- und Optionsrechten allein spricht aber nicht gegen die steuerrechtliche Einordnung des Genussrechtskapitals als Fremdkapital. Auch eine Vereinbarung zur Erfüllung der Rückzahlungsverpflichtung durch die Gewährung von Anteilsrechten spricht nicht gegen die steuerrechtliche Einordnung des Genussrechtskapitals als Fremdkapital. Die steuerrechtliche Umqualifizierung in Eigenkapital erfolgt in diesen Fällen grundsätzlich erst ab dem Zeitpunkt der Ausübung des Wandlungs- und Optionsrechts mit Wirkung für die Zukunft.

[2] Zur Qualifizierung von Genussrechtskapital als ein schuldrechtliches Kapitalüberlassungsverhältnis vgl. BMF, Schreiben v. 11.4.2023, IV C 6 – S 2133/19/10004: 002, BStBl 2023 I S. 672, Rz. 1.
[3] Vgl. hierzu sowie zum Folgenden BMF, Schreiben v. 11.4.2023, IV C 6 – S 2133/19/10004: 002, BStBl 2023 I S. 673, Rz. 8 f.
[4] Hänsch, BBK 2023, S. 658.
[5] Vgl. BMF, Schreiben v. 11.4.2023, IV C 6 – S 2133/19/10004: 002, BStBl 2023 I S. 673, Rz. 16 f.
[6] Vgl. BMF, Schreiben v. 11.4.2023, IV C 6 – S 2133/19/10004: 002, BStBl 2023 I S. 673, Rz. 18.

4.1.2 Ansatz einer Genussrechtsverbindlichkeit in der Steuerbilanz

 

Rz. 68

Die Einstufung des Genussrechtskapitals als steuerrechtliches Fremdkapital hat zur Folge, dass dieses in der Steuerbilanz grundsätzlich als Verbindlichkeit zu passivieren ist (erfolgsneutraler Vorgang), da eine dem Inhalt und der Höhe nach bereits bestimmte Leistungspflicht vorliegt, die erzwingbar ist und eine wirtschaftliche Belastung darstellt.[1] Bei Vorliegen zweier voneinander unabhängiger Sachverhalte (fehlende wirtschaftliche Belastung, Passivierungsaufschub nach § 5 Abs. 2a EStG) kann es jedoch zu einem Passivierungsverbot des Genussrechtskapitals als Verbindlichkeit kommen.

 

Rz. 69

Im Ausnahmefall ist eine Verbindlichkeit nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung nicht bzw. nicht mehr zu passivieren, wenn sie keine wirtschaftliche Belastung am Abschlussstichtag darstellt. Das BMF[2] sieht dies insbesondere dann als gegeben an, wenn aufgrund einer Abwägung aller konkreten Umstände des Einzelfalls mit einer Geltendmachung der Forderung durch den Gläubiger mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht bzw. nicht mehr zu rechnen ist.[3] In einem solchen Fall stellt allein di...

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