3.1 Orientierung an der Stellungnahme HFA 1/1994

 

Rz. 38

Im Handelsgesetzbuch sowie in den weiteren gesellschaftsrechtlichen Gesetzen finden sich keine besonderen Regelungen zur Abbildung von Genussrechten im handelsrechtlichen Jahresabschluss. Aus diesem Grund wurde in der Literatur über ihre handelsrechtliche Behandlung lange Zeit kontrovers diskutiert.[1] Im Jahr 1994 hat sich deshalb der HFA des IDW mit dieser Frage auseinandergesetzt und die Stellungnahme HFA 1/1994 "Zur Behandlung von Genussrechten im Jahresabschluss von Kapitalgesellschaften"[2] verfasst. Die Wirtschaftsprüfer sind bei der Prüfung von Unternehmen wegen ihrer Verpflichtung zur gewissenhaften Berufsausübung an die Beachtung dieser Stellungnahme wie generell der Stellungnahmen des HFA des IDW gebunden.[3]

 

Rz. 39

Die Stimmen aus der Literatur zu der Stellungnahme HFA 1/1994 waren überwiegend positiv.[4] Daher sollte sich die Bilanzierungspraxis hinsichtlich der Abbildung von Genussrechten im handelsrechtlichen Jahresabschluss auch an der Stellungnahme HFA 1/1994 orientieren.[5] Der Inhalt und die Interpretation der Stellungnahme HFA 1/1994 sind Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen.

[1] Vgl. dazu auch Küting/Kessler, BB 1994, S. 2111.
[2] Vgl. IDW, WPg 1994, S. 419 ff. Zu einer Ergänzung der Stellungnahme HFA 1/1994 vgl. IDW, WPg 1998, S. 891.
[3] Vgl. IDW, IDW PS 201, WPg Supplement 2015, S. 4.
[4] Vgl. bspw. Emmerich/Naumann, WPg 1994, S. 677; Küting/Kessler, BB 1994, S. 2112; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 266 HGB Rz. 193 ff.
[5] Gl. A. bspw. Mihm, in Goette/Habersack, Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 5. Aufl. 2021, § 221 AktG Rz. 409.

3.2 Handelsrechtliche Behandlung von Genussrechten bei der emittierenden Gesellschaft gemäß der Stellungnahme HFA 1/1994

3.2.1 Kriterien zur Einordnung von Genussrechtskapital als bilanzielles Eigen- oder Fremdkapital

 

Rz. 40

Einleitende Bemerkungen

Hinsichtlich der Abbildung von kapitalersetzenden Genussrechten enthält die Stellungnahme HFA 1/1994 keine Vorgaben. Sie bezieht sich vielmehr ausschließlich auf diejenigen Genussrechte, die bei der emittierenden Gesellschaft eine Kapitalzuführung darstellen. In solchen Fällen ist das bereitgestellte Genussrechtskapital in Abhängigkeit von der jeweiligen inhaltlichen Ausgestaltung in der Handelsbilanz entweder als Eigen- oder Fremdkapital erfolgsneutral zu passivieren oder – im Falle eines Ertragszuschusses – erfolgswirksam zu vereinnahmen.[1]

 

Rz. 41

Ob das jeweilige Genussrecht als Eigen- oder als Fremdkapital erfolgsneutral zu passivieren ist, ist gleichzusetzen mit der Frage, ob handelsbilanziell Eigen- oder Fremdkapital vorliegt.[2] Bedingung für die bilanzielle Einordnung von kapitalzuführendem Genussrechtskapital als Eigenkapital ist nach der Stellungnahme HFA 1/1994 eine ausreichende Haftungsqualität des zur Verfügung gestellten Genussrechtskapitals.[3] Die Haftungsqualität des überlassenen Genussrechtskapitals orientiert sich dabei unter Berücksichtigung einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise vornehmlich an der Gläubigerschutzfunktion des handelsrechtlichen Jahresabschlusses.[4] Eine ausreichende Haftungsqualität von Genussrechtskapital und damit bilanzielles Eigenkapital liegt gemäß der Stellungnahme HFA 1/1994 vor, wenn die Merkmale der Nachrangigkeit der Kapitalüberlassung im Insolvenz- oder Liquidationsfall der emittierenden Gesellschaft, der Erfolgsabhängigkeit der Vergütung, der Teilnahme am laufenden Verlust bis zur vollen Höhe sowie der Nachhaltigkeit (Längerfristigkeit) der Kapitalüberlassung kumulativ gegeben sind.[5]

 

Rz. 42

Nachrangigkeit des überlassenen Genussrechtskapitals im Insolvenz- oder Liquidationsfall

Das Kriterium der Nachrangigkeit des überlassenen Genussrechtskapitals im Insolvenz- oder Liquidationsfall der emittierenden Gesellschaft gilt als erfüllt, wenn dem Genussrechtsinhaber ein Rückzahlungsanspruch zum Zeitpunkt der Insolvenz oder der Liquidation der emittierenden Gesellschaft erst nach der Abgeltung (Befriedigung) der Ansprüche aller anderen Gläubiger, deren Kapitalüberlassung nicht den Kriterien für einen Eigenkapitalausweis genügt, eingeräumt wird.[6] Genussrechtskapital kann demzufolge nur dann als Eigenkapital ausgewiesen werden, wenn es im Insolvenzfall oder bei der Liquidation der emittierenden Gesellschaft als Haftungssubstanz zur Verfügung steht.[7] Unbedeutend ist in diesem Zusammenhang die Beantwortung der Frage, ob die Ansprüche der Genussrechtsinhaber im Vergleich zu anderen Genussrechtsinhabern oder im Vergleich zu den Ansprüchen der Eigenkapitalgeber zum Zeitpunkt der Insolvenz oder der Liquidation der emittierenden Gesellschaft vor-, gleich- oder nachrangig ausgestaltet sind. Auch die Art und die Höhe der Verteilung bestehender Liquidationsüberschüsse zwischen den Genussrechtsinhabern und den Eigenkapitalgebern sind für das Vorliegen des diskutierten Kriteriums unbedeutend.[8]

 

Rz. 43

Erfolgsabhängigkeit der Vergütung

Das Genussrechtskapital darf darüber hinaus nur dann als bilanzielles Eigenkapital eingeordnet werden, wenn das Kriterium der Erfolgsabhängigkeit der Vergütung erfüllt ist.[9] Der schuldrechtliche Genussrechtsvertrag muss insofern grundsätzlich eine erfolgsabhängige Vergütung des Genussrechtsinhabers für ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge