Rz. 87

Zeitnahe Aufzeichnungspflicht

Funktionsverlagerungen stellen regelmäßig außergewöhnliche Geschäftsvorfälle i. S. v. § 90 Abs. 3 Satz 5 AO (§ 90 Abs. 3 Satz 8 AO a. F.) i. V. m. § 3 Abs. 2 GAufzV dar, da sie mit einer Änderung von Geschäftsstrategien, d. h. mit wesentlichen Funktions- und Risikoänderungen, verbunden sind.[1] Aufzeichnungen sind deshalb zeitnah, d. h. innerhalb von 6 Monaten nach Ablauf des Wirtschaftsjahres, in dem sich die Funktionsverlagerung ereignete,[2] zu erstellen.[3] Im Hinblick auf den für die Zeitnähe der Aufzeichnungen beachtlichen Zeitpunkt, in dem sich die Funktionsverlagerung ereignet hat, stellen die VWG-Funktionsverlagerung auf das Wirtschaftsjahr ab, in dem der Tatbestand der Funktionsverlagerung nach § 1 Abs. 2 FVerlV vollständig verwirklicht wurde; dies ungeachtet später folgender, wirtschaftlich zur Funktionsverlagerung gehörender und deshalb in die Transferpaketbetrachtung einzubeziehender Geschäftsvorfälle.[4] Insofern ist nicht auf das Wirtschaftsjahr abzustellen, in dem das Verpflichtungsgeschäft, d. h. die Entscheidung über die Funktionsverlagerung, erfolgte.[5] Sukzessive Funktionsverlagerungen, deren Geschäftsvorfälle nach § 1 Abs. 2 Satz 3 FVerlV innerhalb eines Zeitraums von 5 Jahren zusammenfassend zu betrachten sind, unterliegen nicht bezogen auf die einzelnen Geschäftsvorfälle, sondern erst mit tatsächlicher Verwirklichung der Funktionsverlagerung den Dokumentationsanforderungen für außergewöhnliche Geschäftsvorfälle.[6]

 

Rz. 88

Umfang notwendiger Aufzeichnungen

Nach Auffassung der Finanzverwaltung gehören zu den notwendigen Aufzeichnungen insbesondere auch alle die Funktionsverlagerung betreffenden schriftlichen Verträge, weil sie – jedenfalls im Ausgangspunkt – für die konkrete Disposition des Steuerpflichtigen und damit letztlich auch für die Bestimmung von Verrechnungspreisen von erheblicher praktischer Bedeutung sind.[7] Allerdings ordnet Rz. 97 der VWG-Funktionsverlagerung[8] formale Anforderungen ("in Form von im Voraus abgeschlossenen, klaren und eindeutigen [möglichst schriftlichen] Verträgen") zutreffend der Nachweis- bzw. Beweisvorsorge zu. Ihr Fehlen erhöht die Darlegungslast des Steuerpflichtigen i. R. d. erweiterten Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten nach § 90 Abs. 2 AO über den abgeschlossenen Vertrag als solchen und dessen Inhalt.[9] Im Zweifel unterstellt die Finanzverwaltung – unter Hinweis auf die OECD-Leitlinien – Verträge, die dem konkreten Verhalten der betreffenden Unternehmen entsprechen.[10] Die Nichtvorlage von Verträgen über die Funktionsverlagerung für sich genommen löst insofern nicht die Rechtsfolgen des § 162 Abs. 3 AO wegen Nichtvorlage der nach § 90 Abs. 3 Satz 5 AO (§ 90 Abs. 3 Satz 8 AO a. F.) geforderten Aufzeichnungen oder wegen im Wesentlichen unverwertbarer Aufzeichnungen aus.

 

Rz. 89

Nachweisvorsorge für glaubhaft zu machende und nachzuweisende Umstände

Im Rahmen der Erstellung der Dokumentation über die Funktionsverlagerung ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Steuerpflichtige die Besteuerungsfolgen einer Funktionsverlagerung in nicht unwesentlichem Ausmaß dahingehend beeinflussen kann, dass er die von ihm behaupteten Umstände "glaubhaft" macht. So hat der Steuerpflichtige etwa das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen der Wesentlichkeit immaterieller Wirtschaftsgüter mit der Folge glaubhaft zu machen, dass der Anwendungsbereich einer Öffnungsklausel zur Einzelbewertung nach § 1 Abs. 3b Satz 2 AStG eröffnet ist (Rz. 68 ff.). Hierzu hat der Steuerpflichtige auf Anforderung Unterlagen vorzulegen, aus denen sich die für die Unternehmensentscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte für die Funktionsverlagerung, die im Rahmen der Funktionsverlagerung übertragenen bzw. zur Nutzung überlassenen immateriellen Wirtschaftsgüter oder sonstigen Vorteile sowie die relativen Wertverhältnisse ergeben.[11] Im Rahmen von Funktionsverdoppelungen mit nachfolgender Funktionseinschränkung beim verlagernden Unternehmen wird eine Funktionsverlagerungsbesteuerung nach § 1 Abs. 5 Satz 2 FVerlV dann nicht ausgelöst, wenn glaubhaft gemacht wird, dass die Einschränkung nicht in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Funktionsverdoppelung steht.[12] Nach § 5 FVerlV müssen Gründe für einen bestimmten, von der Funktionsausübung abhängigen Kapitalisierungszeitraum nachgewiesen werden, um den anderenfalls zugrunde zu legenden unbegrenzten Kapitalisierungszeitraum zu suspendieren. Nach § 7 Satz 2 FVerlV ist nachzuweisen, dass keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter oder sonstigen Vorteile übertragen oder zur Nutzung überlassen worden sind. Nach § 1 Abs. 3a Satz 6 AStG erfordert eine andere als die hälftige Teilung des Einigungsbereichs die Glaubhaftmachung eines anderen als des Mittelwertes, der dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht. Nach Auffassung der Finanzverwaltung können als Kriterien hierfür die jeweiligen Marktpositionen, das jeweilige mit der Transaktion verbundene Interesse, die Kapitalausstattung und Ertragslage der Ko...

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