Rz. 77

Tatsächliche Abwicklung mittels Kompensationszahlungen

Eine Funktionsverlagerung lag nach § 1 Abs. 7 Satz 2 Alt. 2 FVerlV a. F. auch dann nicht vor, "wenn der Vorgang zwischen voneinander unabhängigen Dritten nicht als Veräußerung oder Erwerb einer Funktion angesehen würde." Der Verordnungsgeber hatte als eine wesentliche Fallgruppe Vorgänge im Blick, die formal als Funktionsverlagerung zu qualifizieren, aber entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz tatsächlich anders abgewickelt werden. Dies gilt z. B. für die fristgerechte Kündigung von Verträgen, z. B. von Lizenz-, Vertriebs-, Kommissionärs- oder Handelsvertreterverträgen, oder das Auslaufen von Vertragsbeziehungen.[1] Die VWG-Funktionsverlagerung stellen in diesem Zusammenhang wiederholt fest, dass eine "dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechende, vertragskonforme Funktionsänderung, z. B. Ablauf des Vertriebsvertrags, fristgerechte Kündigung, und die damit einhergehende Verminderung von Chancen und Risiken (…) als solche für sich allein nicht als Funktionsverlagerung behandelt" wird.[2] Dementsprechend kam keine Transferpaketbewertung und -besteuerung, sondern allenfalls eine Einzelverrechnung etwaiger Transaktionen in Betracht. Es entspricht dem Handeln des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters, dass gesetzliche oder vertragliche Schadensersatz-, Ausgleichs- oder Entschädigungsansprüche eingefordert werden; ebenso wird der verpflichtete Vertragspartner durch die jeweilige Rechtsordnung zur Leistung dieser Kompensationszahlungen angehalten.[3]

Mit der Änderung der FVerlV ist § 1 Abs. 7 FVerlV a. F. ersatzlos entfallen. Ausweislich der Verordnungsbegründung wird davon ausgegangen, dass für die in § 1 Abs. 7 FVerlV a. F. genannten Fälle „auch nach den verbleibenden Regelungen sichergestellt ist, dass es nicht zu einer Verwirklichung von Funktionsverlagerungen kommt“.[4] Selbst wenn die vorgenannten Vorgänge formal als Funktionsverlagerung zu qualifizieren sein sollten, aber entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz tatsächlich anders abgewickelt werden, ergeben sich durch § 7 FVerlV keine Auswirkungen aus dem Wegfall von § 1 Abs. 7 FVerlV a. F. in Fällen der anderen Abwicklung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz.

 

Rz. 78

Ansatz gesetzlicher/vertraglicher Ansprüche

Gemäß § 7 Satz 1 FVerlV können gesetzliche "oder vertragliche Schadenersatz-, Entschädigungs- und Ausgleichsansprüche, die voneinander unabhängigen Dritten zustünden, wenn ihre Handlungsmöglichkeiten vertraglich oder tatsächlich ausgeschlossen würden, (..) der Besteuerung einer Funktionsverlagerung zugrunde gelegt werden, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft macht, dass solche Dritte unter ähnlichen Umständen in vergleichbarer Art und Weise verfahren wären." § 7 Satz 2 FVerlV verlangt ferner den Nachweis, "dass keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter oder Vorteile übertragen oder zur Nutzung überlassen worden sind", ausgenommen die Übertragung oder Überlassung, die zwingend auf die bezeichneten Ansprüche zurückgeht. Gemäß § 7 Satz 1 FVerlV ist nach dem Fremdvergleichsgrundsatz zu beurteilen, ob die Erfüllung mit zivilrechtlichen Ersatzansprüchen ein Verfahren "in vergleichbarer Art und Weise" darstellt.

Fraglich ist, welche Bedeutung der Anforderung des § 7 Satz 2 FVerlV im Hinblick auf eine Transferpaketbewertung und -besteuerung zukommt, wenn § 1 Abs. 3b Satz 2 AStG unter denselben Tatbestandsvoraussetzungen und unter dem herabgesetzten Beweismaß, dass lediglich glaubhaft zu machen ist, dass weder wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter noch sonstige Vorteile Gegenstand der Funktionsverlagerung waren, anordnet, dass von einer Transferpaketbewertung und -besteuerung abgesehen werden kann. Die Finanzverwaltung vertritt hierzu die Auffassung, dass bei Einbeziehung wesentlicher immaterieller Wirtschaftsgüter oder sonstiger Vorteile, deren Übertragung oder Überlassung nicht zwingende Folge fremdüblichen, vertragsgemäßen Verhaltens ist, "das Entgelt für die Funktionsverlagerung nach den allgemeinen Regeln zu bestimmen, [ist; d.Verf.], d. h. grundsätzlich Transferpaketbetrachtung mit Ermittlung des Einigungsbereichs auf Grundlage der jeweiligen Gewinnpotenziale und ggf. Ansatz des Mittelwerts."[5]

M. E. hat das Konzept der Funktionsverlagerungsbesteuerung mittels Transferpaketansatzes jedenfalls im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 3b Sätze 2, 3 AStG mangels Vorliegens einer Funktionsverlagerung keine Rechtsgrundlage. Vielmehr folgt aus § 7 Satz 2 FVerlV "lediglich", dass die Besteuerung nicht auf den Ansatz der zivilrechtlichen Ansprüche beschränkt ist, sondern sich auch auf etwaige übertragene oder überlassene wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter oder sonstige Vorteile erstreckt, wobei diese Transaktionen einzeln zu bewerten sind. Dies schließt insbesondere den Ansatz eines funktionsbezogenen Geschäftswerts aus. Es wurde bereits an anderer Stelle hinreichend deutlich gemacht, dass geschäftswertbildende Faktoren nicht auf das übernehmende Unternehmen übergehen und deshalb einer...

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