Rz. 18

Tatbestandsverwirklichung innerhalb eines 5-Jahres-Zeitraums

Insbesondere in Fällen der Funktionsverdoppelung kommt dem Vorliegen bzw. Nichtvorliegen des Tatbestandsmerkmals der Einschränkung der betreffenden Funktion entscheidende Bedeutung zu. Unter einer Funktionsverdoppelung bzw. -vervielfältigung versteht man gemeinhin die Verdoppelung bzw. Vervielfältigung einer durch den bisherigen (alleinigen) Funktionsträger weiterhin ausgeübten Funktion.[1] Begrifflich ist die Funktionsverdoppelung nicht als Funktionsverlagerung i. S. v. § 1 Abs. 3b Satz 1 AStG und § 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV zu qualifizieren, da es an der Einstellung oder Einschränkung der Funktionsausübung durch den bisherigen Funktionsträger fehlt. Gleichwohl geht § 1 Abs. 5 Satz 1 FVerlV offenkundig von einem Unterfall der Funktionsverlagerung aus.[2]

Hiernach soll eine Funktionsverlagerung erst dann nicht gegeben sein, "wenn es innerhalb von 5 Jahren nach Aufnahme der Funktion durch das übernehmende Unternehmen zu keiner Einschränkung der Ausübung der betreffenden Funktion beim verlagernden Unternehmen kommt, obwohl die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 1 erfüllt sind (Funktionsverdoppelung)." Begrifflich soll eine Funktionsverdoppelung final mithin erst dann vorliegen, wenn eine Funktionseinschränkung beim "verlagernden" Unternehmen innerhalb einer 5-Jahres-Frist nicht zu verzeichnen ist. Diese Regelung ist offenkundig als Missbrauchsvermeidungsnorm zur Vermeidung sukzessiver Verlagerungen konzipiert.[3]

Die Finanzverwaltung will etwa Fälle nicht als Funktionsverdoppelung, sondern als Funktionsverlagerung behandeln, in denen im Ausland eine Vertriebstochtergesellschaft neu errichtet wird und eben dieser Vertriebskanal zuvor vom Inland aus bedient wurde.[4] Demgegenüber dürfte die Erschließung eines neuen Vertriebskanals bzw. Absatzmarktes stets als Neuaufnahme einer Geschäftstätigkeit zu qualifizieren sein.[5] Dies entspricht i. Ü. der auch regionalen Auslegung des Funktionsbegriffs durch die Finanzverwaltung (Rz. 11).

 

Rz. 19

Erhebliche Funktionseinschränkung

Unter welchen Voraussetzungen eine Einschränkung der Funktionsausübung vorliegt, regelt § 1 Abs. 5 FVerlV nicht. Würde die Auslegung des Einschränkungstatbestands zugrunde gelegt, führt jedweder Umsatzrückgang zum Wandel einer Funktionsverdoppelung in eine Funktionsverlagerung. Bereits die Begründung zur vorhergehenden Fassung des § 1 Abs. 6 FVerlV a. F. führt jedoch aus, dass eine lediglich geringfügige oder zeitlich begrenzte Einschränkung der betreffenden Funktion unschädlich sein soll.[6] Dies soll allerdings nur dann gelten, wenn der Vorgang auch unter fremden Dritten nicht als Veräußerung oder Verlagerung einer Funktion angesehen würde. Die konkrete Ausgestaltung dieser Bagatellregelung stellte der Verordnungsgeber den VWG-Funktionsverlagerung anheim. Gemäß Rz. 49 der VWG-Funktionsverlagerung ist eine Funktionseinschränkung nicht mehr nur geringfügig, sondern erheblich, "wenn der Umsatz aus der Funktion, den das ursprünglich tätige Unternehmen i. S. d. § 1 Absatz 2 FVerlV im letzten vollen Wirtschaftsjahr vor der Funktionsänderung erzielt hat, innerhalb des 5-Jahreszeitraums (...) in einem Wirtschaftsjahr um mehr als 1.000.000 EUR absinkt."[7] Ein Überschreiten dieser Bagatellgrenze in einem Wirtschaftsjahr führt ungeachtet der Umsatzentwicklung in vorangehenden oder nachfolgenden Wirtschaftsjahren zwingend zur Annahme einer Funktionsverlagerung. Liegen die Voraussetzungen einer Funktionsverlagerung aufgrund einer Funktionseinschränkung innerhalb des 5-jährigen Beobachtungszeitraums vor, verbleibt nur noch der durch § 1 Abs. 5 Satz 2 letzter Halbsatz FVerlV konzedierte "Gegenbeweis" für das Vorliegen einer Funktionsverdoppelung. Hiernach kann der Steuerpflichtige glaubhaft machen, dass die Funktionseinschränkung nicht in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Funktionsverdoppelung steht, sondern auf andere Ursachen zurückgeht. Die Glaubhaftmachung des Nichtbestehens dieser ereignis- und umsatzbezogenen Kausalität mit der ursprünglichen Funktionsverdoppelung[8] verlangt vom Steuerpflichtigen die plausible Darlegung aller tatsächlichen und objektiven Umstände, die den Rückschluss zulassen, dass kein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Einschränkung der betreffenden Funktion beim inländischen Unternehmen und der Aufnahme dieser Funktion durch das ausländische Unternehmen gegeben ist.[9]

Insofern sind die kausalen Ereignisse zu benennen, auf die die Funktionseinschränkung zurückgeht. Diese können etwa in veränderten Wettbewerbsbedingungen, in gewandeltem Verbraucherverhalten, geänderten rechtlichen Rahmenbedingungen etc. bestehen. Entsprechend dem abgeschwächten Beweismaß der Glaubhaftmachung muss für die Ursächlichkeit des oder der behaupteten Ereignisse eine überwiegende Wahrscheinlichkeit gegeben sein.[10]

Die noch im Referentenentwurf zur Anpassung der FVerlV vom 25.5.2022 vorgesehene Erhöhung des Beweismaßes, nach der der Steuerpflichtige ...

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