Rz. 107

Bei Veräußerungen nach dem 31.12.1998 ist es für die Übertragung oder Rücklage des Veräußerungsgewinns aller in Betracht kommender Wirtschaftsgüter erforderlich, dass das veräußerte Wirtschaftsgut 6 Jahre ununterbrochen zum Anlagevermögen gehört hat. Zweck dieser Bestimmung ist es, die Begünstigung von Spekulationsgewinnen zu vermeiden. Die Frist gilt auch dann, wenn eine Spekulationsabsicht nicht vorliegt. Ausnahmen finden sich noch in § 6b Abs. 8 EStG (Rz. 116).

 

Rz. 108

Die Frist ist nach dem Kalender zu berechnen und bestimmt sich gem. § 108 Abs. 1 AO nach den §§ 187ff. BGB. Für die steuerrechtlich erforderliche Zuordnung von Ereignissen im zeitlichen Schnittpunkt zweier Wirtschaftsjahre ist auch hier zu beachten, dass ein Grundstück, dessen Besitz, Nutzungen und Lasten zum ersten Tag eines Wirtschaftsjahres auf den Erwerber übergehen, regelmäßig auch in diesem Wirtschaftsjahr als angeschafft anzusehen ist.[1] Der Vorbesitzzeitraum muss volle 6 Kalenderjahre umfassen, wobei es auf die Dauer der tatsächlichen Zugehörigkeit ankommt. Das fristauslösende Ereignis ist die Anschaffung (Lieferung) oder Herstellung (Fertigstellung) des Wirtschaftsguts; s. § 9a EStDV. Hat sich das Wirtschaftsgut zunächst im Privatvermögen des Stpfl. befunden, beginnt die Frist mit der tatsächlichen Einlage in das Betriebsvermögen. Bei gewillkürtem Betriebsvermögen wird die Einlage regelmäßig durch die buchmäßige Behandlung als Widmungsakt dokumentiert. Die Einlage von notwendigem Betriebsvermögen ergibt sich aus der tatsächlichen Nutzung für betriebliche Zwecke.

 

Rz. 109

Die Frist bezieht sich auf das einzelne Wirtschaftsgut. Dies gilt auch dann, wenn mehrere Wirtschaftsgüter wirtschaftlich miteinander verbunden sind. Ist unter Verwendung von gebrauchten Wirtschaftsgütern ein neues Wirtschaftsgut hergestellt worden, müssen seit dessen Fertigstellung 6 Jahre, in denen es ununterbrochen zum Anlagevermögen gehört haben muss, vergangen sein (R 6b.3 Abs. 2 EStR 2012). Bei einem Grundstück, das in mehreren Teilflächen zu verschiedenen Zeitpunkten erworben worden ist, bildet jede Teilfläche (Flurstück) ein selbstständiges Wirtschaftsgut[2], für das die Frist gesondert zu berechnen ist. Kommt es bei einer Kapitalgesellschaft zu einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, sind die jungen und alten Anteile wirtschaftlich identisch; anders ist dies bei einer Kapitalerhöhung gegen Einlage (R 6b.3 Abs. 6 S. 3 EStR 2012); zu einer Kapitalerhöhung im Schütt-aus-Hol-zurück-Verfahren s. FG Düsseldorf v. 27.8.2001, 17 K 3900/98 G, F, EFG 2001, 1490.

 

Rz. 110

Da § 6b EStG nach der Neuregelung durch das UntStFG v. 24.12.2001 wieder eine personenbezogene Steuervergünstigung darstellt, ist dementsprechend auch die in § 6b Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG geregelte Vorbesitzzeit personenbezogen zu verstehen.[3] Es reicht deshalb zur Erfüllung der Vorbesitzzeit nicht aus, dass das begünstigte Wirtschaftsgut im Zeitpunkt seiner Veräußerung seit mehr als 6 Jahren zum Gesellschaftsvermögen einer Personengesellschaft gehört hat; die Steuervergünstigung kann vielmehr nur der Gesellschafter beanspruchen, der diese Voraussetzung in eigener Person erfüllt. Hat er in diesem Zeitraum seinen Gesellschaftsanteil oder einen Teil seines Anteils von einem anderen ausscheidenden Gesellschafter entgeltlich erworben, erfüllt er die Vorbesitzzeit nur in Höhe desjenigen Anteils am veräußerten Wirtschaftsgut, der auf seinen Gesellschaftsanteil vor dem Ausscheiden des Mitgesellschafters entfällt. Hinsichtlich des durch den Anteilserwerb aufgedeckten Teils der stillen Reserven des Wirtschaftsguts wird die Besitzzeit unterbrochen.[4]

 

Rz. 111

Bei unentgeltlichem Erwerb eines Gesellschaftsanteils ist dem Gesellschafter die Besitzzeit seines Rechtsvorgängers anzurechnen (R 6b.3 Abs. 5 EStR 2012).[5] Die Auswirkung eines teilentgeltlichen Erwerbs des Gesellschaftsanteils auf die Vorbesitzzeit ist streitig. Der BFH folgt der sog. Einheitstheorie, da das EStG von einem einheitlichen Anschaffungsvorgang und Veräußerungsvorgang ausgehe, falls der Veräußerungspreis den Buchwert des übertragenen Betriebsvermögens oder des Kapitalkontos des Veräußerers übersteige; der Vorgang dürfe nicht in eine entgeltliche und eine unentgeltliche Übertragung aufgespalten werden.[6] Im Schrifttum und von der Finanzverwaltung wurde bis dahin dagegen überwiegend eine Unterbrechung der Vorbesitzzeit hinsichtlich des unentgeltlichen Teils der Übertragung verneint (sog. Spaltungstheorie, nach der die Anschaffungskosten auf der Grundlage des Verhältnisses von Gegenleistung und Verkehrswert zu ermitteln sind.[7]

Rz. 112 und 113 einstweilen frei

 

Rz. 114

Die Erfüllung der Sechsjahresfrist setzt die Identität zwischen dem angeschafften bzw. hergestellten und dem veräußerten Wirtschaftsgut voraus. Nachträgliche Herstellungskosten berühren die Identität auch dann nicht, wenn es sich dabei um Aufwendungen für einen Ausbau, Umbau oder eine Erweiterung eines Gebäudes oder Schiffs handelt (R 6b.3 Abs. 3 EStR 2012). Bei grundl...

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