Rz. 10

§ 63 Abs. 1 S. 6 Halbs. 1 EStG begrenzt die Familienförderung durch Kindergeld, anders als bei der Gewährung des Kinderfreibetrags (§ 32 Abs. 6 S. 4 EStG; s. § 32 EStG Rz. 122), grundsätzlich auf den EU-/EWR-Raum. Das Kind muss danach seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland oder in einem anderen EU-/EWR-Staat haben (zum EWR gehören neben Deutschland: Belgien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Island, Italien, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Norwegen, Polen, Österreich, Portugal, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik, Ungarn, Zypern). Das Territorialitätsprinzip des § 62 Abs. 1 EStG für die Anspruchsberechtigten gilt somit entsprechend für die Berücksichtigung der Kinder. Kinder in Drittstaaten werden nicht berücksichtigt. Eine Ausnahme gilt für Kinder im ausländischen Haushalt eines nach § 1 Abs. 2 EStG der erweiterten unbeschränkten Steuerpflicht unterliegenden Auslandsbediensteten usw. (Abs. 1 S. 3 Halbs. 2; Rz. 16). Eine weitere Ausnahme ergibt sich für Kinder, die in einem Staat wohnen, mit dem ein entsprechendes Abkommen über Soziale Sicherheit mit Regelungen über Familienhilfeleistungen besteht (Rz. 14f.).

 

Rz. 11

Für die Begriffe des Wohnsitzes und des gewöhnlichen Aufenthalts gelten die Grundsätze gem. §§ 8, 9 AO. Entscheidend dafür sind ausschließlich tatsächliche und wirtschaftliche Gründe; die polizeiliche Meldung ist unerheblich. Kinder, die sich zu einer zeitlich begrenzten Schul- oder Berufsausbildung im Ausland aufhalten, behalten i. d. R. ihren Wohnsitz im Inland bei, es sei denn, dass die Umstände erkennen lassen, dass das Kind, auch wenn die Eltern ihren Wohnsitz im Inland haben, nicht nur vorübergehend im Ausland verweilt. Grundsätzlich besteht die Vermutung, dass Kinder ausländischer Staatsangehöriger, die sich länger als für die Dauer der Schulferien oder zur Ausbildung in ihren Heimatländern aufhalten oder die bei Übersiedelung ihrer Eltern ins Inland im Heimatland verbleiben, nicht den Wohnsitz der Eltern im Inland teilen und hier auch nicht ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.[1] Allerdings kann eine Prüfung im Einzelfall ergeben, dass gleichwohl die Absicht besteht, nach der Ausbildung ins Inland zurückzukehren. Deshalb kann der Rückkehrwille bzw. die Wahrscheinlichkeit der Rückkehr ins Inland als Anzeichen für die Beibehaltung des inländischen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts nicht schematisch anhand der Staatsangehörigkeit festgestellt werden.[2] Entscheidend sind die Gesamtumstände des Einzelfalls, die sich häufig erst aus einer Rückschau erhellen. Im Zweifel tragen die Eltern die Feststellungslast für die Beibehaltung des inländischen Wohnsitzes. Das FG hat die Gesamtumstände im Rahmen der Tatsachenwürdigung zu beurteilen.[3] Auch hinsichtlich des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts ist der ESt-Bescheid kein Grundlagenbescheid für die Kindergeldfestsetzung.[4]

 

Rz. 12

Schicken die Eltern ihr sechsjähriges Kind zum Zweck des für die Dauer von neun Jahren angelegten Schulbesuchs zu den Großeltern ins Ausland, verliert das Kind grundsätzlich seinen Wohnsitz im Inland, und zwar bereits zu dem Zeitpunkt, zu dem sich das Kind ins Ausland begibt. Besuchsweise Aufenthalte des Kindes in der elterlichen Wohnung führen auch dann nicht zur Beibehaltung des Wohnsitzes, wenn die Rückkehr des Kindes nach Deutschland nach Erreichen des Schulabschlusses beabsichtigt ist.[5]

Hält sich ein Kind zum Zweck des Studiums oder für einen Freiwilligendienst[6] für mehrere Jahre im Ausland auf, behält es seinen Wohnsitz in der Wohnung der Eltern im Inland nur dann, wenn es diese Wohnung zum zwischenzeitlichen Wohnen in ausbildungsfreien Zeiten zumindest überwiegend nutzt.[7] Nicht erforderlich ist hingegen, dass das Kind den weit überwiegenden Teil der ausbildungsfreien Zeit im Inland verbringt.[8] Als ausreichend wurde ein Zeitraum von 5 Monaten angesehen.[9] Bei mehrjährigen Auslandsaufenthalten zum Zwecke einer Berufsausbildung unterscheiden sich die Anforderungen an das Innehaben der inländischen Wohnung nicht danach, ob es sich um die Anfangsphase der Berufsausbildung oder eine spätere Phase handelt. Für die Frage, ob das Kind während des Auslandsaufenthalts einen inländischen Wohnsitz beibehalten oder begründet hat, können auch außerhalb des jeweiligen kindergeldrechtlichen Streitzeitraums liegende tatsächliche Umstände berücksichtigt werden. Ein Abstellen auf die Herkunft der Eltern und das Heimatland des Kindes hat hingegen zu unterbleiben. Für das Innehaben einer Wohnung im Inland ist allein auf die tatsächlichen Verhältnisse und nicht auf die persönlichen oder finanziellen Beweggründe für die fehlenden Inlandsaufenthalte abzustellen. Entsprechend kommt es für die Frage der Wohnsitzbeibehaltung auch nicht auf die großen Entfernung zwischen Studienort und der im Inland genutzten Wohnung und die damit verbundene lange Reisedauer an.[10] Die Absicht, nach Beendigung des S...

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