Rz. 28

Die Frage, ob und ggf. inwieweit steuerrechtliche Bewertungsvorschriften über den Maßgeblichkeitsgrundsatz des § 5 Abs. 1 EStG unter Berücksichtigung der Bilanzrichtlinie gemeinschaftsrechtskonform auszulegen sind, gehört in den Bereich des heftig umstrittenen Problemkreises einer möglichen "Europäisierung" der handels- und steuerrechtlichen Gewinnermittlung. Der BFH[1] hat eine Vorlagepflicht in Bewertungsfragen nach § 6 EStG verneint, auch wenn Handels- und Steuerrecht inhaltsgleich sind. Nach Auffassung des EuGH[2] können die nationalen Gerichte vorlegen. Die EU hat konzernrechnungslegungspflichtige, kapitalmarktorientierte Unternehmen durch die Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 v. 19.7.2002 (Abl. EG Nr. L 243 S. 1), die sog. IAS-Verordnung, verpflichtet, ihren Konzernabschluss für am oder nach dem 1.1.2005 beginnende Geschäftsjahre nach IFRS aufzustellen.[3] Der deutsche Gesetzgeber hat mit dem BilMoG v. 25.5.2009[4] eine Modernisierung der HGB Rechnungslegung mit dem Ziel einer maßvollen Annäherung des HGB an die IFRS und einer Anhebung des Informationsniveaus des HGB Abschlusses unternommen.[5]

 

Rz. 29

Aus dem allgemeinen europarechtlichen Problemkreis hat der BFH[6] allerdings speziell das steuerrechtliche Bewertungsrecht von vornherein ausgeklammert. Die Bewertungsregeln stellten eigenständiges nationales Steuerrecht dar, auch wenn diese mit handelsrechtlichen Grundsätzen übereinstimmten. Der BFH hat sich dabei auf den Bewertungsvorbehalt nach § 5 Abs. 6 EStG gestützt. Hieran hat er[7] ausdrücklich festgehalten, auch wenn es sich dabei um handels- und einkommensteuerrechtlich gleiche Regelungen handelt.[8]

 

Rz. 30

Die Grundsätze über die richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Umsatzsteuerrechts lassen sich auf den vorstehenden Problemkreis nicht übertragen. Zum UStG hat der BFH[9] entschieden, dass die Auslegung eines innerstaatlichen Steuergesetzes, das Gemeinschaftsrecht umsetzt, sich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten und die hierzu ergangenen Erkenntnisse des EuGH zu berücksichtigen hat. Das nationale Umsatzsteuerrecht beruht jedoch auf steuerrechtlichen EU-Richtlinien. Hier hingegen geht es um die Tragweite der handelsrechtlichen Bilanzrichtlinie, insbesondere um die Frage, inwieweit diese handelsrechtliche Regelung in das (nicht harmonisierte) Steuerrecht ausstrahlt.

 

Rz. 31

Der EuGH[10] hat erstmals eine eigene Auslegungskompetenz in Fragen des nationalen Bilanzsteuerrechts für sich in Anspruch genommen, soweit es auf der Bilanzrichtlinie beruht. Er hat nunmehr[11] eine Vorlagepflicht aufgrund des Maßgeblichkeitsprinzips nach § 5 Abs. 1 EStG bejaht, soweit Bilanzierungsvorschriften des Handels- und Steuerrechts auf der Bilanzrichtlinie fußen. Das Gebot der richtlinienkonformen Auslegung gilt auch für das Bilanzsteuerrecht von Gewerbetreibenden, unabhängig davon, ob es sich um Einzelkaufleute, Personen- oder Kapitalgesellschaften handelt. Die Vorschriften des HGB und der Bilanzrichtlinie stehen nur zurück, soweit dem speziellere Ansatz- oder Bewertungsvorschriften entgegenstehen.[12]

[3] Kussmaul/Zabel, StuB 2005, 800.
[4] BGBl I 2009, 1102.
[5] RegE BilMoG v. 21.5.2008, BT-Drs. 16/10067; Lüdenbach/Hoffmann, StuB 2009, 287; Herzig/Briesemeister, DB 2009, 926.
[8] Ebenso zuvor schon Weber-Grellet, DB 1996, 2089, 2092; a. A. Herkenroth/Körner/Rodewald, DStR 1999, 9.
[10] EuGH v. 14.9.1999, Rs. C-275/97 (DE+ES), DB 1999, 2035.
[11] EuGH v. 7.1.2003, Rs. C-306/99 (BIAO), BFH/NV Beilage 2003, 65, Haufe-Index 885490.
[12] Schütz, DB 2003, 688; Moxter, BB 2003, 363.

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