Rz. 258

Der Teilwert mit seiner gesetzlichen hypothetischen Grundlage eines gedachten Gesamtkaufpreises eines möglichen Erwerbers lässt sich nur durch eine Schätzung ermitteln. Der zu schätzende Wert bewegt sich im Rahmen der von der Rspr. entwickelten Ober- und Untergrenze. Zudem hat die Rspr. zur Beurteilung der Tatfrage nach der Höhe des Teilwerts als einem auf Erfahrung beruhenden Schätzwert Teilwertvermutungen entwickelt. Diese schaffen einen Anscheinsbeweis, den derjenige zu widerlegen hat, der sich auf einen hiervon abweichenden Wert beruft. Ihn trifft insoweit die Darlegungs- und Feststellungslast.[1]

 

Rz. 259

Für die Schätzung bilden die Wiederbeschaffungskosten bzw. der Reproduktionswert die Obergrenze. Die Untergrenze ist der Einzelveräußerungspreis abzüglich der Veräußerungskosten. Mit welchem der beiden Werte das einzelne Wirtschaftsgut von einem gedachten Erwerber angesetzt wird, hängt im Wesentlichen davon ab, ob das Wirtschaftsgut für den Betrieb notwendig oder jederzeit ersetzbar bzw. entbehrlich ist.

 

Rz. 260

Die Wiederbeschaffungskosten von notwendigen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens richten sich im Allgemeinen nach dem Verkehrswert oder dem gemeinen Wert.[2] Hinzu kommen jeweils die Anschaffungsnebenkosten. Allerdings können die Wiederbeschaffungskosten für den Betriebsinhaber höher als für einen Dritten sein. Er kann als Käufer eines Grundstücks oder einer Beteiligung höhere Wiederbeschaffungskosten aufwenden müssen als ein Dritter, weil der Verkäufer die besonderen Vorteile kennt, die sein Käufer aus dem Wirtschaftsgut bei dessen Betriebszugehörigkeit ziehen kann.[3] Andererseits können sich die Wiederbeschaffungskosten dadurch ermäßigen, dass eine vorhandene betriebliche Anlage unrentabel, weil überdimensioniert ist. Die niedrigeren Wiederbeschaffungskosten sind dann diejenigen für eine zutreffend dimensionierte Anlage.[4] Ist der Wiederbeschaffungswert ebenso hoch oder höher als die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, so scheidet ein niedrigerer Teilwert als Korrektur gegenüber den Anschaffungs- oder Herstellungskosten aus.

 

Rz. 261

Die Wiederbeschaffungskosten sind ebenfalls für selbst erzeugte Wirtschaftsgüter des Anlage- und Umlaufvermögens maßgeblich. Ihr Reproduktionswert ergibt sich aus den fiktiven Kosten, die für ihre Wiederherstellung aufgewendet werden müssen. Der Wert lässt sich progressiv anhand individueller Herstellungskosten sowie anteiliger Verwaltungs- und Vertriebskosten ohne einen Gewinnaufschlag ermitteln, da Letzterer erst bei einem Verkauf realisiert wird. Stattdessen kann der Wiederbeschaffungswert auch retrograd geschätzt werden, indem der erzielbare Verkaufserlös um den durchschnittlichen Rohgewinnaufschlag gekürzt wird.[5]

Siehe hierzu auch Rz. 270.

 

Rz. 262

Der Einzelveräußerungspreis als Teilwertuntergrenze ist der Preis, der für entbehrliche Wirtschaftsgüter am Markt erzielbar ist, abzüglich etwaiger Veräußerungskosten. Damit entspricht der Einzelveräußerungspreis dem gemeinen Wert oder dem Verkehrswert. Mindestens aber ist der Material- oder Schrottwert anzusetzen.[6] Bei Wirtschaftsgütern, die für den Betrieb entbehrlich sind, ist die Wiederbeschaffung nicht beabsichtigt . Das Gleiche gilt für den Liquidationsfall.

 

Rz. 263

Die Teilwerte der einzelnen Wirtschaftsgüter können in Ausnahmefällen unter die Wiederbeschaffungskosten sinken, wenn das Unternehmen nachhaltig unrentabel ist und der Unternehmer konkrete Maßnahmen trifft, den Betrieb so bald als möglich zu liquidieren oder stillzulegen.[7] Gegen den Grundsatz der Einzelbewertung würde jedoch ein pauschaler Abschlag vom Wert des Betriebsvermögens in Gestalt eines nicht passivierbaren negativen Firmenwerts[8] verstoßen, um die Werte der einzelnen Wirtschaftsgüter zu korrigieren.[9] Ist hingegen nicht der ganze Betrieb, sondern nur ein einzelnes Wirtschaftsgut unrentabel, so ist entsprechend der Ursache der Unrentabilität zu unterscheiden[10]: Ist das Wirtschaftsgut für den Betrieb nicht rentabel nutzbar, etwa weil es überdimensioniert ist, so kommt eine Teilwertabschreibung auf die Wiederbeschaffungskosten für ein entsprechendes, für den Betrieb geeignetes Wirtschaftsgut in Betracht. Ist hingegen die Unrentabilität in einer verlustbringenden Vermietung begründet, so kommt nach der "Heizwerkentscheidung" des BFH[11] nur eine Drohverlustrückstellung in Betracht, die inzwischen allerdings nach § 5 Abs. 4a EStG unzulässig ist, nicht aber eine Teilwertabschreibung auf das Wirtschaftsgut.

 

Rz. 264

Um die Schätzung des Teilwerts zu vereinfachen, hat die Rspr. Teilwertvermutungen entwickelt. Will ein Stpfl. eine Teilwertvermutung entkräften, so muss er konkrete Tatsachen und Umstände darlegen, die den Schluss rechtfertigen, dass der Teilwert nicht der Teilwertvermutung entspricht. Er trägt für die teilwertmindernden Umstände die objektive Beweislast.[12] Da eine Teilwertabschreibung nicht im Laufe eines Wirtschaftsjahrs, sondern nur zu seinem Ende in Betracht kommt, ist die Höhe des Teilwerts nach den Verhältniss...

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