Rz. 152

Werden mehrere Wirtschaftsgüter aufgrund eines einheitlichen Vertrags zu einem Gesamtkaufpreis erworben – z. B. ein Betrieb oder ein Grundstück samt aufstehendem Gebäude oder eine Eigentumswohnung –, so zwingt der Grundsatz der Einzelbewertung (s. Rz. 41ff.) dazu, den Gesamtkaufpreis nach den Wertverhältnissen im Anschaffungszeitpunkt auf die einzelnen Wirtschaftsgüter aufzuteilen.[1] Ob ein oder mehrere Wirtschaftsgüter erworben werden, beurteilt der BFH nach bürgerlichem Recht.[2]

 

Rz. 153

Die Höhe der anteiligen Anschaffungskosten für die einzelnen Wirtschaftsgüter kann sich aus den getroffenen vertraglichen Vereinbarungen ergeben, wenn die Vertragsparteien eine Aufteilung des Gesamtkaufpreises vorgenommen haben und an der Ausgeglichenheit der jeweiligen Leistungen und Gegenleistungen kein Zweifel besteht.[3] Es besteht die Beweisregel, dass im Allgemeinen eine ernstlich gewollte Preisabsprache anzunehmen ist.[4] Es empfiehlt sich daher, einem Kaufvertrag eine Liste der einzelnen Wirtschaftsgüter mit einem anteiligen Kaufpreis für jedes Wirtschaftsgut beizufügen. Einer einvernehmlichen Aufteilung durch die Vertragsparteien ist jedoch dann nicht zu folgen, wenn sie nicht ernstlich gewollt ist und den wirtschaftlichen Gegebenheiten nicht entspricht, weil Gründe der Steuerersparnis in erster Linie für die vereinbarte Aufteilung maßgebend waren.[5]

 

Rz. 153a

Bei einem gemischt genutzten Grundstück kann der Erwerber den Finanzierungsaufwand einem bestimmten, der Einkunftserzielung dienenden Gebäudeteil zuordnen, um die Darlehenszinsen zur Finanzierung der Anschaffungskosten für diesen Gebäudeteil bei den Einkünften aus Vermietung abziehen zu können. Die Zuordnung muss sowohl bei der Gestaltung des Anschaffungsgeschäfts als auch bei seiner Durchführung beachtet werden. Beispielsweise wird in dem Kaufvertrag ein gesonderter Kaufpreis für den Gebäudeteil vereinbart, oder der Bauunternehmer erteilt im Herstellungsfall hierfür eine gesonderte Rechnung.[6]

 

Rz. 154

Für die Angemessenheit der Aufteilung eines Gesamtkaufpreises auf die einzelnen Wirtschaftsgüter durch die Vertragsparteien spricht eine Vermutung.[7] Ist diese durch das FA entkräftet, so kann der Stpfl. dennoch geltend machen, die Vertragsparteien hätten einen wirtschaftlich begründeten Anlass gehabt, eine Aufteilung abweichend vom Verhältnis der Teil- oder der Verkehrswerte vorzunehmen.[8]

 

Rz. 155

Fehlt es an einer Aufteilung des Gesamtkaufpreises durch die Vertragsparteien oder gilt die Ausgeglichenheitsvermutung nicht oder liegen keine wirtschaftlichen oder sonst beachtlichen Gründe vor, die die von den Vertragsparteien vorgenommene Aufteilung rechtfertigen, so ist der Gesamtkaufpreis im Wege der Schätzung aufzuteilen. Schätzungsgrundlage ist bei Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens der Teilwert und bei solchen des Privatvermögens der Verkehrswert/gemeine Wert.[9] Maßgeblich sind im betrieblichen Bereich die Teilwerte für den Betrieb des Erwerbers im Zeitpunkt der Anschaffung.[10] Unzulässig ist in jedem Fall eine Aufteilung nach der Restwertmethode, bei der zunächst der Verkehrswert eines Wirtschaftsguts ermittelt und sodann der verbleibende Rest des Gesamtkaufpreises dem anderen Wirtschaftsgut zugeordnet wird.

Für die Schätzung des Werts des Grund- und Boden- sowie des Gebäudeanteils im Privatvermögen kann nach st. Rspr. des BFH die Verordnung über die Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken (ImmobilienwertermittlungsverordnungImmoWertV – vom 19.5.2010, BGBl I 2010, 639, herangezogen werden[11] Soweit das BMF eine Arbeitshilfe zur Kaufpreisaufteilung zur Verfügung stellt, ist diese für die FG nicht bindend.[12] Nachdem der BFH die bisherige Version des BMF als fehlerhaft verworfen hatte, wurde im Mai 2021 eine neue, aktualisierte Fassung der Arbeitshilfe veröffentlicht. Inzwischen liegt ein weiteres Verfahren zu der Thematik beim BFH.[13]

 

Rz. 156

Als Beispiel für eine Aufteilung nach den Teilwerten bei einem zum Betrieb gehörenden Grundstück mag eine Entscheidung des BFH[14] dienen: Ein Stpfl. muss von seinem betrieblichen Grundstück von 710 qm einen Streifen von 87 qm an die Gemeinde abtreten. Der Buchwert des Gesamtgrundstücks beträgt 377 DM/qm. Die Gemeinde zahlt für den abgetretenen Streifen nur 100 DM/qm. Der BFH vertritt eine Aufteilung der Anschaffungskosten des Stpfl. für das Gesamtgrundstück auf den abgetretenen Streifen und das ihm verbleibende Restgrundstück im Verhältnis von deren Teilwerten. Maßgeblich sind die Teilwerte im Zeitpunkt der Anschaffung des Gesamtgrundstücks.

Bei einem teilentgeltlichen Erwerb zweier Wohnungen, von denen die eine mit einem Wohnungsrecht belastet ist, ist der einheitliche Kaufpreis nach dem Verkehrswert einer jeden Wohnung aufzuteilen. Zuvor ist von dem Verkehrswert der belasteten Wohnung der kapitalisierte Wert des Wohnungsrechts abzuziehen.[15]

 

Rz. 157

Bei Grundstücken im Betriebsvermögen stimmen die Teilwerte regelmäßig mit den Wiederbeschaffungskosten überein. Die Wiederbesc...

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