Rz. 229

§ 50d Abs. 10 EStG stellt eine besondere Vorschrift zur Auslegung der DBA dar, die die Besteuerung bestimmter grenzüberschreitend gezahlter Sondervergütungen i. S. d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 Halbs. 2 EStG regeln soll. Erfasst wird der Fall, dass eine Personengesellschaft Sondervergütungen an einen Gesellschafter zahlt. Dem Wortlaut nach gilt die Vorschrift sowohl für die Zahlung von Sondervergütungen einer inländischen Personengesellschaft an einen im Ausland ansässigen Gesellschafter als auch für die Zahlung von Sondervergütungen einer ausl. Gesellschaft an einen inländischen Gesellschafter. Für den letzteren Fall, bei dem die Regelung des § 50d Abs. 10 EStG zu einem Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts und im Ergebnis zu unbesteuerten, "weißen", Einkünften führen würde, wird das deutsche Besteuerungsrecht durch Verweis auf Abs. 9 S. 1 Nr. 1 wieder hergestellt (Rz. 209).

 

Rz. 229a

Hintergrund der Vorschrift ist die zwischen Finanzverwaltung und Rspr. umstrittene Frage, wie Sondervergütungen, die eine Mitunternehmerschaft an ihre Gesellschafter zahlt, unter den DBA steuerlich einzuordnen sind. Nach nationalem Recht werden Sondervergütungen i. S. d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 Halbs. 2 EStG, d. h. Vergütungen für Darlehen, Miet- und Pachtzinsen, Lizenzgebühren und Vergütungen für Arbeitsleistungen des Gesellschafters, zu den Gewinnen der Personengesellschaft gezählt mit der Folge, dass sie bei der Personengesellschaft der GewSt unterliegen und bei dem Gesellschafter zu Einkünften aus Gewerbebetrieb führen. Die Qualifikation als Einkünfte aus Gewerbebetrieb wird zusätzlich dadurch abgesichert, dass Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 8 EStG und aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 Abs. 3 EStG gegenüber den Gewinneinkunftsarten subsidiär sind.

 

Rz. 230

Nach dem Recht der DBA gilt jedoch eine andere Qualifikation. Nach Art. 7 Abs. 4 OECD-MA 2010 bzw. Art. 7 Abs. 4 der Deutschen Verhandlungsgrundlage sind, anders als im deutschen Recht, die Einkünfte aus anderen Einkunftsarten vorrangig gegenüber den Einkünften aus Unternehmensgewinnen. Daher hat im Zweifel eine Qualifikation als Zinsen nach Art. 11 OECD-MA oder als Lizenzgebühren nach Art. 12 OECD-MA zu erfolgen. Die Vorschriften enthalten zwar in Art. 11 Abs. 4 OECD-MA bzw. Art. 12 Abs. 3 OECD-MA eine Rückverweisung auf Art. 7 OECD-MA, und damit die Regelung der Unternehmensgewinne. Diese Rückverweisung gilt aber nur, wenn und soweit die Forderungen und Rechte, für die die Vergütungen gezahlt werden, tatsächlich zu einer Betriebsstätte gehören. Das ist bei den Sondervergütungen nicht der Fall, da die Rückverweisung nur für Zinsen und Lizenzgebühren gilt, die die Betriebsstätte erhält (also "Habenzinsen"; Betriebseinnahmen), nicht dagegen für Zinsen und Lizenzgebühren, die die Betriebsstätte belasten (also "Sollzinsen", Betriebsausgaben). Bei den Sondervergütungen geht es aber um Zahlungen der Mitunternehmerschaft (Betriebsstätte) an den Gesellschafter, die bei der Mitunternehmerschaft als Betriebsausgaben gebucht worden sind. Die Rückverweisung auf Art. 7 OECD-MA erfasst daher nicht die Sondervergütungen.

 

Rz. 231

Die unterschiedliche Qualifikation der Vergütungen, die nach innerstaatlichem Recht als Sondervergütungen aus der Beteiligung an einer Personengesellschaft gelten, nach DBA aber als Zinsen oder Lizenzgebühren, hat Auswirkungen auf die Besteuerungsrechte der beteiligten Staaten. Werden die Sondervergütungen durch die entsprechenden Vorschriften der DBA als Zinsen oder Lizenzgebühren eingeordnet, hat der Quellenstaat nur ein beschränktes Recht zum Quellensteuerabzug oder überhaupt kein Besteuerungsrecht, während der Ansässigkeitsstaat des Gläubigers der Vergütungen diese besteuern kann. Werden die Sondervergütungen umgekehrt als Unternehmensgewinne qualifiziert, hat der Betriebsstättenstaat ein unbegrenztes Besteuerungsrecht, während der Ansässigkeitsstaat des Gläubigers bei Anwendung der Freistellungsmethode diese Einkünfte freistellen muss.

 

Rz. 232

Der BFH hatte diese Frage zugunsten des Vorrangs der Art. 11, 12 OECD-MA entschieden, und zwar zuerst für den Fall einer ausl. Personengesellschaft und eines inländischen Gesellschafters. Durch diese Rspr. wurde das Besteuerungsrecht Deutschlands als Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters aufrechterhalten. Da die Finanzverwaltung zwar dieses Ergebnis, nicht aber die Begründung des BFH teilte, wurde dieser Fall in Abs. 9 S. 1 Nr. 1 geregelt (Rz. 209). Im Anschluss hieran hat die Rspr. auch den umgekehrten Fall, d. h. die Zahlung von Sondervergütungen von einer inländischen Personengesellschaft an einen im Ausland ansässigen Gesellschafter entschieden und konsequenter Weise die Qualifikation ebenfalls entsprechend Art. 11, 12 OECD-MA vorgenommen.[1] Folge dieser Rspr. ist, dass Deutschland für Lizenzgebühren, die als Sondervergütungen von einer inländischen Personengesellschaft gezahlt werden, nur ein beschr. Quellensteuerrecht nach § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG hätte, das durch DBA zusätzlic...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge