Rz. 188

In Abs. 9 wurde durch G. v. 13.12.2006[1] eine allgemeine Switch-over-Klausel (Nr. 1) bzw. eine spezielle Subject-to-tax-Klausel (Nr. 2) eingeführt.[2] Diese Vorschrift ersetzt aufgrund von zwei Tatbeständen in bestimmten Fällen die Freistellungsmethode durch die Anrechnungsmethode. Zweck der Vorschrift ist es, die Steuerfreistellung in DBA auf die Fälle einer tatsächlichen Doppelbelastung zu beschränken. Die Freistellung soll nicht angewendet werden bei einer ungewollten doppelten Freistellung. Dagegen ist die Vorschrift nicht anwendbar bei einer gewollten doppelten Freistellung. Die Vorschrift gilt ungeachtet der Freistellung in den DBA, verdrängt also durch "Treaty Override" die in den DBA vereinbarte Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (Rz. 3ff.). Die Zulässigkeit eines Treaty Overrides hat der BFH als ernstlich zweifelhaft angesehen.[3]

Jedoch dürfte die Frage der Zulässigkeit eines Treaty Overrides durch die Rspr. des BVerfG im Sinne der uneingeschränkten Zulässigkeit geklärt sein (Rz. 4a ff.).

 

Rz. 188a

§ 50d Abs. 9 EStG ist, im Gegensatz zu § 50d Abs. 3 EStG, keine Vorschrift zur Verhinderung von Missbräuchen. Angeknüpft wird nicht an ein als missbräuchlich empfundenes Verhalten des Stpfl., sondern an das Verhalten der beiden Staaten, die ein DBA abgeschlossen haben und das Abkommen unterschiedlich auslegen. Es soll also eine Lücke geschlossen werden, die dadurch entsteht, dass ein Vertragspartner das Abkommen anders auslegt, als es der andere Vertragspartner bei Abschluss des Vertrags erwartet hat (Nr. 1), oder eine Freistellung nicht nur im Ansässigkeitsstaat, sondern auch im Quellenstaat eingreift (Nr. 2) und dadurch eine ungewollte Doppel-Nichtbesteuerung entsteht. Ein missbräuchliches Verhalten des Stpfl. ist damit nicht verbunden, da er sich an die Rechtsauslegung oder Rechtsvorschriften des Quellenstaats hält, also rechtmäßig handelt. Daher setzt die Vorschrift auch keine Missbrauchsabsicht voraus.

 

Rz. 189

Das Verhältnis gegenüber speziellen Switch-over- bzw. Subject-to-tax-Klauseln in DBA regelt § 50d Abs. 9 S. 3 EStG. Vor allem in neueren DBA sind Subject-to-tax-Klauseln und Switch-over-Klauseln enthalten; vgl. z. B. Art. 22 Abs. 1 Buchst. a DBA-NL v. 12.4.2012, wonach die Freistellung davon abhängt, dass die Einkünfte "tatsächlich" in den Niederlanden besteuert werden, oder die dem § 50d Abs. 9 Nr. 1 EStG entsprechende Vorschrift in Art. 23A Abs. 4 OECD-MA. Außerdem kennen eine Mehrzahl von DBA Regelungen (häufig in den Protokollnotizen), die es einem Staat erlauben, allgemein von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode überzugehen (Switch-over-Klauseln). Wenn ein DBA eine Switch-over- oder Subject-to-tax-Klausel enthält[4], bestimmt § 50d Abs. 9 S. 3 EStG, dass diese Klauseln unberührt bleiben, soweit sie eine weitgehendere Einschränkung der Freistellung enthalten als Abs. 9. Die Vorschrift gibt also nicht allgemein den DBA den Vorrang. Vielmehr wird die Freistellung, ggf. im Wege des Treaty Overrides, nach der jeweils weitgehenderen Vorschrift eingeschränkt. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass die Vorschriften der DBA verdrängt werden, soweit sie die Freistellung in gleicher oder weniger einschränkender Weise beseitigen als Abs. 9. In diesem Fall ist Abs. 9 anwendbar, nicht die entsprechende Vorschrift der DBA; dies ist ein Treaty Override, der aber den Stpfl. nicht belastet, soweit beide Vorschriften die Freistellung unter gleichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen einschränken. Eine Belastung des Stpfl. tritt jedoch ein, soweit Abs. 9 weiter geht als die entsprechende Vorschrift in dem DBA. Dies soll nach § 52 Abs. 59a S. 9 EStG für alle noch offenen Steuerfestsetzungen gelten. Da die Änderung erst am 29.6.2013 im BGBl verkündet worden ist, kann sie im Wege der unechten Rückwirkung erst ab Vz 2013 gelten. Soweit die Finanzverwaltung die Vorschrift auf frühere Vz anwenden will und sich dies zulasten des Stpfl. auswirkt, handelt es sich um eine echte Rückwirkung, die verfassungswidrig ist. Demgegenüber wird in der Begründung zum Gesetzentwurf vom Bundesrat[5] vertreten, dass es sich bei der Regelung nur um eine Klarstellung handele. Ein gegenteiliges Vertrauen der Bürger sei angesichts der Ansicht der Verwaltung und dem Willen des Gesetzgebers zu einer entsprechenden Regelung nicht entstanden. Die Bürger hätten auch nicht auf das Urteil des BFH v.11.1.2012[6] vertrauen dürfen, da ein solches Vertrauen allenfalls bei einer gefestigten Rspr., die insoweit nicht vorliege, entstanden wäre.[7] Ein Aspekt dürfte auch sein, dass dieses Urteil des BFH nicht im BStBl veröffentlicht worden ist, also den Stpfl. bekannt war, dass die Finanzverwaltung das Urteil nicht anwenden werde. M. E. kann dies die nur ausnahmsweise zulässige echte Rückwirkung nicht rechtfertigen. Der BFH hat die Rechtslage zutreffend beurteilt. Die Gesetzesänderung ändert daher die Rechtslage. Gründe für eine echte Rückwirkung der geänderten Rechtslage liegen nicht vor. Insbesondere ist eine Rechtslage nicht allein ...

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