Rz. 34n

§ 50d Abs. 1 S. 11 EStG gilt nur für Erstattungsansprüche aufgrund eines DBA und nur für das Erstattungsverfahren nach § 50d Abs. 1 EStG. Damit kann die Vorschrift mit Erstattungsansprüchen auf einer anderen Rechtsgrundlage sowie mit der Erstattung im Rahmen eines Veranlagungsverfahrens kollidieren.[1] Als "andere Rechtsgrundlage" kommt insbesondere die Mutter-Tochter-Richtlinie i. V. m. § 43b EStG sowie die Zins- und Lizenzrichtlinie i. V. m. § 50g EStG für Lizenzen in Betracht. Die Kollision dieser Rechtsgrundlagen bzw. des Veranlagungsverfahrens mit § 50d Abs. 1 S. 11 EStG beruht darauf, dass diese Vorschrift lediglich den Erstattungsanspruch nach DBA einer anderen Person zuordnet, sei es materiell, sei es nur verfahrensrechtlich, diese Zuordnung für andere Rechtsgrundlagen bzw. für das Veranlagungsverfahren also nicht gilt.[2]

 

Rz. 34o

Die EU-Richtlinien definieren, welchen Gesellschaften bzw. Gesellschaftsformen der Erstattungsanspruch nach der Mutter-Tochter-Richtlinie, der Zins- und Lizenz-Richtlinie bzw. den entsprechenden nationalen Vorschriften zustehen. Diesen Erstattungsanspruch materiell oder verfahrensrechtlich auf eine andere Person zu übertragen. hätte gegen die Richtlinien verstoßen. Daher beschränkt § 50d Abs. 1 S. 11 EStG seine Regelung auf die Erstattungsansprüche nach DBA. Das hat aber zur Folge, dass der Erstattungsanspruch nach DBA nunmehr einer anderen Person zusteht als der nach der EU-Richtlinie bzw. den entsprechenden nationalen Vorschriften. Dies kann Doppelerstattungen zur Folge haben. Solange die jeweiligen Ansprüche derselben Person zustanden, war das ausgeschlossen, da es sich um die Erstattung derselben Abzugsteuer handelte, die lediglich auf zwei verschiedene Rechtsgründe gestützt werden konnte. Zwei verschiedene Anspruchsgrundlagen hinsichtlich desselben Anspruchs bei derselben Person führen nicht zur Doppelerstattung. Wird der Anspruch dagegen, nach der gesetzlichen Regelung zu Recht, von verschiedenen Personen erhoben, ist das anders.

 
Praxis-Beispiel

Erstattungsanspruch wird von verschiedenen Personen erhoben

An der im Inland ansässigen A-AG ist zu 100 % die im EU-Staat B ansässige B-KGaA beteiligt. Persönlich haftender Gesellschafter ist die ebenfalls im Staat B ansässige C-Kapitalgesellschaft. Die A-AG schüttet Dividende aus und zahlt an die KGaA Lizenzgebühren, die jeweils einer Abzugsteuer unterlagen. Sowohl nach dem anwendbaren DBA als auch nach § 43b, § 50g EStG beträgt die Abzugsteuer jeweils "0", ist also zu erstatten.

Auf die Ansprüche auf Erstattung der KapESt und der Abzugsteuer nach § 50a EStG, die auf dem DBA beruhen, ist § 50d Abs. 1 S. 11 EStG anzuwenden, da ein Teil der Erträge der Komplementär-Kapitalgesellschaft als stpfl. Gewinn zuzurechnen ist. Insoweit ist der Erstattungsanspruch von der Komplementärin geltend zu machen; die KGaA ist nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 50d Abs. 1 S. 11 EStG von der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs insoweit ausgeschlossen. Das ist unabhängig davon, ob man der Vorschrift materiellen oder nur verfahrensrechtlichen Charakter zuerkennt. Die KGaA kann daneben aber den Erstattungsanspruch nach § 43b, § 50g EStG i. V. m. § 50d Abs. 1 S. 1 EStG und den entsprechenden EU-Richtlinien geltend machen. § 50d Abs. 1 S. 11 EStG schließt die KGaA nur von den Ansprüchen nach DBA aus, nicht von denen nach den EU-Richtlinien; dies wäre auch europarechtswidrig. Das Gesetz enthält auch keinen Hinweis darauf, dass einer der Ansprüche den anderen verdrängen könnte; der Vorrang eines der Ansprüche vor dem anderen ist aus dem Gesetz heraus nicht begründbar. Da sowohl der KGaA als auch dem Komplementär nach dem Gesetz der jeweilige Anspruch zusteht, hat eine Erstattung an beide, und damit eine Doppelerstattung, zu erfolgen. Missbrauchserwägungen verhindern dieses Ergebnis nicht, da diese Situation allein durch die unvollständige Regelung durch den Gesetzgeber entstanden ist. Der Stpfl. selbst hat nichts "gestaltet" und auch nicht "gehandelt", sodass kein "missbräuchliches Handeln" oder eine "missbräuchliche Gestaltung" vorliegt.

 

Rz. 34p

Das gleiche Ergebnis tritt ein, wenn die Gesellschaft im Rahmen der beschr. Steuerpflicht im Inland veranlagt wird. § 50d Abs. 1 S. 11 EStG schränkt den Wirkungsbereich dieser Vorschrift nicht auf die Fälle ein, in denen keine Veranlagung erfolgt.

 
Praxis-Beispiel

Erstattung bei Veranlagung im Inland im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht

An der im Inland ansässigen A-AG ist zu 100 % die in dem Drittstaat B ansässige B-KGaA beteiligt. Persönlich haftender Gesellschafter ist die ebenfalls im Staat B ansässige C-Kapitalgesellschaft. Die A-AG schüttet Dividende aus und zahlt an die KGaA Lizenzgebühren, die jeweils einer Abzugsteuer unterlagen. Die B-KGaA unterhält in Deutschland eine Betriebsstätte, zu der die Erträge funktional gehören. Nach dem anwendbaren DBA beträgt die Abzugsteuer jeweils "0", ist also zu erstatten.

Die KapESt bzw. die Steuer nach § 50a EStG ist trotz der inländischen Betriebsstätte ...

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