Rz. 34d

Sind an dem Verfahren über die Erstattung der Abzugsteuer Personen beteiligt, die in mehr als in zwei Staaten ansässig sind (Mehrstaaten-Fälle), enthält § 50d Abs. 1 S. 11 EStG keine umfassende Regelung. Mehrstaaten-Fälle können vorliegen, wenn Gesellschafter des Zahlungsempfängers in einem oder mehreren anderen Staaten ansässig sind als die Gesellschaft. Im Ergebnis ist der Tatbestand des § 50d Abs. 1 S. 11 EStG zwar anwendbar (Rz. 34g ff.), enthält aber nur für den Fall eine Rechtsfolge, dass die Einkünfte dem Zahlungsempfänger zuzurechnen sind. Erfolgt die Zurechnung bei dem Zurechnungssubjekt, ist die Vorschrift mangels einer Rechtsfolge nicht anwendbar.

 

Rz. 34e

Der Tatbestand des § 50d Abs. 1 S. 11 EStG enthält für Mehrstaaten-Fälle Unklarheiten in doppelter Hinsicht. Hinsichtlich der Zurechnung zu einer anderen Person stellt die Vorschrift auf das Recht der Bundesrepublik und des "anderen Vertragsstaats" ab. Da sich dieser Satzteil auf den Gläubiger der Kapitalerträge oder Vergütungen bezieht, lässt sich die Formulierung so verstehen, dass mit dem "anderen Vertragsstaat" der Ansässigkeitsstaat des Gläubigers, also des Zahlungsempfängers, gemeint ist. Im Folgenden wird dann auf den Erstattungsanspruch nach einem DBA verwiesen. Hier kann unklar sein, ob das DBA mit dem Ansässigkeitsstaat des Zahlungsempfängers oder des Zurechnungssubjekts gemeint ist. Das Gesetz formuliert allgemein, dass der Anspruch aufgrund "eines" DBA gemeint ist, bezieht sich also nicht ausdrücklich auf das DBA mit dem Ansässigkeitsstaat des Zahlungsempfängers. Der Erstattungsanspruch kann sich daher aus diesem DBA oder dem DBA mit dem Zurechnungssubjekt ergeben, z. B. dem Gesellschafter einer Personengesellschaft.[1] Der Tatbestand der Vorschrift erfasst daher auch Mehrstaaten-Fälle, wenn die Kapitalerträge oder Vergütungen nach dem Recht der Bundesrepublik oder dem des Ansässigkeitsstaats einer anderen Person zugerechnet wird, diese aber in einem dritten Staat ansässig ist. Der Tatbestand setzt nicht voraus, dass das Zurechnungssubjekt in dem gleichen Staat ansässig ist wie der Zahlungsempfänger.

 

Rz. 34f

Anders ist es aber mit der Rechtsfolge. Diese bestimmt, dass die Zurechnung an das Zurechnungssubjekt erfolgt, wenn die Einkünfte oder Gewinne nach dem Recht des Ansässigkeitsstaats des Zahlungsempfängers dem Zurechnungssubjekt als "ansässiger Person" zugerechnet werden. Präziser ausgedrückt, bedeutet dies, dass diese Zurechnung "nur" erfolgt, wenn das Zurechnungssubjekt eine "ansässige Person ist". Ist das nicht der Fall, erfolgt keine Zurechnung des Erstattungsanspruchs bei dem Zurechnungssubjekt, die Vorschrift läuft also trotz Erfüllung des Tatbestands mangels einer Rechtsfolge leer. Fraglich ist dabei, wie der Begriff der "ansässigen Person" auszulegen ist. Nach der hier vertretenen Ansicht bedeutet dieser Begriff, dass diese Person in dem gleichen Staat wie der Zahlungsempfänger ansässig sein muss, die Vorschrift also mangels einer Rechtsfolge leerläuft, wenn dies nicht der Fall ist (Rz. 34j).[2]

 

Rz. 34g

Folge ist, dass für einen Teil der Mehrstaaten-Fälle § 50d Abs. 1 S. 11 EStG keine Regelung enthält, sondern es bei der allgemeinen Rechtsfolge verbleibt. Das wird in Folgenden anhand der folgenden Beispiele dargestellt.

 

Beispiel 1

Mehrstaaten-Fall und mögliche Rechtsfolgen

Die deutsche A-GmbH zahlt an die im Staat B ansässige Gesellschaft Lizenzgebühren. Die Gesellschaft wird von dem Staat B als intransparent angesehen; Deutschland qualifiziert sie als transparent. Die Gesellschafter sind im Staat C ansässig, der die Gesellschaft als transparent oder intransparent qualifiziert.

Der Beispielsfall 1 wird im BMF v. 26.9.2014[3] wie folgt gelöst. Der Tatbestand des § 50d Abs. 1 S. 11 EStG ist erfüllt, wenn Deutschland die Gesellschaft als transparent ansieht und daher die Einkünfte den Gesellschaftern zurechnet. Als Rechtsfolge bestimmt die Vorschrift, dass der Erstattungsanspruch nur derjenigen Person zusteht, der nach dem Recht des Staats B Einkünfte oder Gewinne zuzurechnen sind. Das ist die im Staat B ansässige Gesellschaft, die auch abkommensberechtigt ist. Ihr steht also der Erstattungsanspruch zu, der Erstattungsanspruch der im Staat C ansässigen Gesellschafter ist ausgeschlossen (arg. "nur"). Der Erstattungsanspruch richtet sich nach dem DBA Deutschland – Staat B, auch wenn Deutschland die Gesellschaft als transparent ansieht, also eigentlich das DBA mit Staat C anwenden müsste. Dies ist nur verständlich, wenn man § 50d Abs. 1 S. 11 EStG materielle Wirkung zuerkennt (ausführlich dazu Rz. 33o ff.).[4]

Die vom BMF vertretene Rechtsfolge ergibt sich m. E. aus dem Gesetz, sie ist jedoch problematisch, da sie den im Staat C ansässigen Gesellschaftern den nach deutschem Recht und dem Recht des Staats C bestehenden Erstattungsanspruch nimmt, wenn der Staat C die Gesellschaft als transparent ansieht. Die Versagung der Erstattung an die Gesellschafter aufgrund des § 50d Abs. 1 S. 11 EStG gilt auch, wenn der Erstattungsanspruch...

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