2.2.1 Einbehalt trotz Anspruchs auf Steuerentlastung

 

Rz. 19

§ 50d Abs. 1 S. 1 EStG bestimmt, dass der Steuerabzug vom Kapitalertrag, §§ 43ff. EStG, und nach § 50a EStG nach den allg. innerstaatlichen Vorschriften durchzuführen ist, ohne Rücksicht darauf, ob sich aus besonderen Vorschriften ein niedriger Abzugssteuersatz oder sogar ein Abzugssteuersatz von 0 ergibt. Solche besonderen Vorschriften sind § 43b EStG, § 50g EStG und die Bestimmungen der DBA. Die Vorschrift gilt nicht für andere Fälle, insbes. nicht für den LSt-Abzug. Sie gilt auch nur für Fälle der Reduzierung oder Beseitigung der Abzugsbesteuerung durch die genannten Vorschriften, nicht für das Entfallen der Abzugsteuer wegen fehlender Steuerpflicht oder fehlender Steuerbarkeit des Vergütungsgläubigers. Will der Stpfl. geltend machen, dass die Einkünfte keinem Steuerabzug unterliegen oder dass sie mangels persönlicher oder sachlicher Steuerpflicht keine deutsche Steuer auslösen, ist § 50d Abs. 1 EStG nicht anwendbar. Der Vergütungsgläubiger kann dann nur die Steueranmeldung des Vergütungsschuldners anfechten oder Erstattung nach § 37 Abs. 2 AO beantragt.

 

Rz. 20

Der inländische Schuldner der Vergütung kann und muss nach § 50d Abs. 1 S. 1 EStG in den genannten Fällen den Steuerabzug ohne Rücksicht darauf vornehmen, ob der Gläubiger (Empfänger der Vergütung) eine Steuer in Höhe der Abzugssteuer schuldet, ob § 43b EStG oder § 50g EStG eingreift und ob ein DBA besteht oder nicht. Das Gesetz sieht daher ein "zweistufiges" Verfahren vor, in der 1. Stufe eine Einbehaltung und Abführung der Steuer, dann in einer 2. Stufe die Erstattung durch das BZSt. Die Vorschrift bestimmt in § 50d Abs. 1 S. 13 EStG ausdrücklich, dass sich der Vergütungsschuldner nicht darauf berufen kann, dass der Vergütungsgläubiger eine geringere Steuer schuldet. Ein Absehen von der Steuerfestsetzung ist nur unter den Voraussetzungen des § 50d Abs. 2 EStG (Freistellungsbescheinigung) möglich (Rz. 49

 

Rz. 21

§ 50d Abs. 1 S. 1 EStG verpflichtete ursprünglich nur den Schuldner der Kapitalerträge und Vergütungen, die Vorschriften über Einbehaltung, Abführung und Anmeldung der Abzugsteuer anzuwenden. Diese Einschränkung ist durch G. v. 19.12.2008[1] mit Wirkung für Vergütungen gestrichen worden, die nach dem 31.12.2008 zufließen. Damit wird bestimmt, dass die Durchführung des Steuerabzugs von der Person des Abzugsverpflichteten unabhängig ist und nur bei Vorliegen einer Freistellungsbescheinigung vom Steuerabzug abgesehen werden kann.[2] Die Vorschrift verpflichtet jetzt nicht nur den Abzugsverpflichteten, den Steuerabzug vorzunehmen, sondern auch den Vergütungsgläubiger, den Steuerabzug zu dulden. Diese Änderung steht im Zusammenhang mit der Neukonzeption des § 50a EStG. Hierdurch wird der Gläubiger der Kapitalerträge und Vergütungen verpflichtet, den vollen Steuerabzug zu dulden, auch wenn er nach dem Gesetz oder einem DBA nur zu einem niedrigeren Steuerabzug verpflichtet ist oder ein Recht auf eine Steuerfreistellung hat. Auch werden hierdurch Fälle berücksichtigt, in denen der Gläubiger selbst einen Steuerabzug vorzunehmen hat, beispielsweise in den Fällen des "Steuerabzugs zweiter Stufe" nach § 50a Abs. 4 EStG.

Rz. 22 einstweilen frei

 

Rz. 23

§ 50d EStG ist nach dem Wortlaut seines Abs. 1 S. 1 nur im Rahmen des Steuerabzugsverfahrens anwendbar. Wird daher der Vergütungsgläubiger, d. h. der Stpfl. selbst, außerhalb des Steuerabzugsverfahrens in Anspruch genommen, ist § 50d Abs. 16 EStG nicht anwendbar. Das durch § 50d EStG vorgeschriebene zweistufige Verfahren (Steuerabzug, dann Erstattung) gilt nur für das Steuerabzugsverfahren, wo im Interesse eines einfachen Verwaltungsverfahrens auf die Klärung von Rechtsfragen wie die nach der Steuerbarkeit oder Steuerpflicht der Vergütungen verzichtet wird. Das gilt aber nicht mehr außerhalb des Steuerabzugsverfahrens. Wird der Stpfl. durch Nachforderungsbescheid in Anspruch genommen, ist die Höhe seiner Steuerverpflichtung zu klären; er kann nicht auf das Erstattungsverfahren verwiesen werden. Wortlaut und Zweck des § 50d Abs. 16 EStG stehen also seiner Anwendung im Nachforderungsverfahren gegen den Stpfl. entgegen.

 

Rz. 24

Aufgrund des "zweistufigen Verfahrens" ist verfahrensrechtlich zu unterscheiden zwischen Einbehaltung, Anmeldung und Abführung der Steuer, d. h. der 1. Stufe sowie der Zuständigkeit des Betriebs-FA bei der KapESt bzw. des BZSt bei der Abzugsteuer nach § 50a Abs. 1, Abs. 5 S. 3 EStG, und dem Erstattungsverfahren, also der 2. Stufe und der Zuständigkeit des BZSt. Einzelheiten zum Regelungsbereich und den verfahrensrechtlichen Folgen des Steuerabzugsverfahrens vgl. § 43 EStG Rz. 1ff.; § 50a EStG.

 

Rz. 25

Die Regelung des § 50d Abs. 1 EStG bedeutet für den Steuerabzugsverpflichteten, dass er auch dann und insoweit im Haftungsweg nach § 44 Abs. 5 EStG bzw. § 50a Abs. 5 S. 4 EStG wegen Unterlassens des Steuerabzugs in Anspruch genommen werden kann, als die Steuer nach § 43b EStG, nach § 50g EStG oder nach dem jeweiligen DBA zu erstatten ist. Nach § 50d Abs. 1 S. 13 EStG kann sich der Schuld...

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