Rz. 404

Verlegt eine Körperschaft Sitz und/oder Geschäftsleitung ins Ausland, kann hinsichtlich der Anteile ebenfalls eine Entstrickung i. S. d. § 4 Abs. 1 S. 3 EStG eintreten. Diese Vorschrift ist so allgemein gefasst, dass sie jede Art des Verlustes oder der Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts erfasst, also auch den Fall, dass dies ohne Zutun und ohne Willen des Steuerpflichtigen geschieht (vgl. Rz. 373).

Die Besteuerung des Gesellschafters hinsichtlich der von ihm gehaltenen Anteile, wenn die Körperschaft, an der die Anteile bestehen, Sitz und/oder Geschäftsleitung ins Ausland verlegt und dadurch das deutsche Besteuerungsrecht an den Anteilen ausgeschlossen oder eingeschränkt wird, richtet sich damit nach Abs. 1. Das gilt sowohl für Körperschaften, die nur Einkünfte aus Gewerbebetrieb haben können, als auch für andere Körperschaften, soweit eine Veräußerung der Anteile unter § 17 Abs. 1 EStG fallen würde. Werden diese Anteile im Betriebsvermögen gehalten, ist § 4 Abs. 1 S. 3 EStG anwendbar, bei Anteilen im Privatvermögen greift § 17 Abs. 5 EStG ein.

Hat die Körperschaft, die ihren Sitz verlegt, die Rechtsform einer SE oder SCE, enthalten § 4 Abs. 1 Nr. 4 EStG sowie § 15 Abs. 1a EStG für Anteile im Betriebsvermögen und § 17 Abs. 5 EStG für sonstige Anteile eine Sonderregelung. Für Anteile anderer Körperschaften enthält das Gesetz keine spezielle Regelung, d. h. § 4 Abs. 1 S. 3 EStG gilt unmittelbar und ohne Milderung.

 

Rz. 405

Bei der Besteuerung des Gesellschafters einer wegziehenden Körperschaft kann es sich um einen Wegzug in einen EU/EWR-Staat oder um den Wegzug in einen Drittstaat handeln. Maßgebend ist lediglich, ob das deutsche Besteuerungsrecht bei einer Veräußerung der Anteile ausgeschlossen oder eingeschränkt wird. Da es sich in den Fällen des § 4 Abs. 1 S. 3 EStG um betriebliche Einkünfte handelt, wird die Beteiligung zu einem Betriebsvermögen gehören. Für das Besteuerungsrecht ist es dann von Bedeutung, ob die Anteile zu einer inländischen oder ausländischen Betriebsstätte gehören, und ob mit den beteiligten Staaten ein DBA besteht oder nicht. Besteht ein DBA, steht das Besteuerungsrecht an den Anteilen regelmäßig dem Betriebsstättenstaat zu, wenn die Anteile zu einer Betriebsstätte gehören.[1] Handelt es sich um eine im Inland belegene Betriebsstätte, bleibt das deutsche Besteuerungsrecht an den Anteilen der wegziehenden Körperschaft auf jeden Fall bestehen.

 

Rz. 406

Voraussetzung für die Besteuerung nach Abs. 1 S. 3 ist, dass vor dem Wegzug der Körperschaft ein deutsches Besteuerungsrecht an den Anteilen bestand. War dies nicht der Fall, wird durch den Wegzug das deutsche Besteuerungsrecht bei einer Veräußerung der Anteile nicht ausgeschlossen oder beschränkt, sodass der Tatbestand des Abs. 1 S. 3 nicht erfüllt ist.

Deutschland nimmt das Besteuerungsrecht (ohne Berücksichtigung der DBA) in Anspruch, wenn der Steuerpflichtige im Inland ansässig ist (unbeschränkte Steuerpflicht) für alle Anteile, unabhängig von der Lage der Betriebsstätte, zu denen die Anteile gehören, sowie bei nicht im Inland ansässigen Steuerpflichtigen, wenn die Anteile zu einer inländischen Betriebsstätte gehören.

Gehören die Anteile zu einer inländischen Betriebsstätte, besteht immer ein deutsches Besteuerungsrecht an den Anteilen; es kann also durch Sitzverlegung der Körperschaft nicht ausgeschlossen werden. Möglich ist aber eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts, wenn die Körperschaft ihren Sitz vom Inland in das Ausland verlegt. Dann kam vor der Sitzverlegung eine Anrechnung ausländischer Steuern nicht infrage, und zwar auch nicht, wenn der Steuerpflichtige im Ausland ansässig war. In diesem Fall kann bei Veräußerung der Anteile eine Besteuerung des Veräußerungsgewinns nur im Ansässigkeitsstaat erfolgt sein (wenn nicht durch DBA ohnehin ausgeschlossen). Im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht wird die Steuer des Ansässigkeitsstaats aber nicht angerechnet.[2] Verlegt die Körperschaft jetzt ihren Sitz und/oder Geschäftsleitung in einen ausländischen Staat, kann bei Veräußerung der Anteile eine ausländische Steuer entstehen, die dann in der Bundesrepublik anzurechnen sein kann. Das kann in folgenden Fällen eintreten:

  • Es besteht unbeschränkte Steuerpflicht; die ausländische Steuer ist im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht anzurechnen;
  • es besteht beschränkte Steuerpflicht, und die Körperschaft verlegt Sitz und/oder Geschäftsleitung in einen Staat, der nicht Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters ist. Der Staat, in den der Sitz der Körperschaft verlegt worden ist, besteuert die Veräußerung von Anteilen an einer in seinem Staat ansässigen Körperschaft. Dann ist diese ausländische Steuer bei Veräußerung der Anteile im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht der inländischen Betriebsstätteneinkünfte nach § 50 Abs. 6 EStG anzurechnen.

Es wird sich immer um Nicht-DBA-Fälle handeln, da in DBA-Fällen die Betriebsstättenbesteuerung nach Art. 13 Abs. 2 OECD-MA bzw. bei Drittstaatenfällen nach Art. 21 Abs. 2 OECD-MA vor...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge