Rz. 388

Eine Entstrickung liegt auch vor, wenn das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Nutzungen des Wirtschaftsguts ausgeschlossen oder beschränkt wird. Insoweit bestehen gewisse Unklarheiten. Soweit das Wirtschaftsgut auf eine ausländische Betriebsstätte übertragen wird, hat der Nutzungstatbestand keine eigenständige Bedeutung, da die Nutzungen des Wirtschaftsguts in der Betriebsstätte besteuert werden, der das Wirtschaftsgut zugeordnet ist. Mit der Übertragung auf eine ausländische Betriebsstätte gehen damit sowohl das Recht auf Besteuerung des Veräußerungsgewinns als auch das Recht auf Besteuerung der Nutzungen verloren. Beides wird durch die Aufdeckung der stillen Reserven durch Ansatz des gemeinen Werts und die Besteuerung des dadurch realisierten Gewinns ersetzt. Der fiktive Entnahmegewinn durch Ansatz des gemeinen Werts enthält auch den Wert der (künftigen) Nutzungen, da der Wirtschaftsverkehr den Wert eines Wirtschaftsguts nach seinen künftigen Nutzungen bemisst. Insoweit ist eine besondere Besteuerung aufgrund des "Nutzungstatbestands" nicht erforderlich.

 

Rz. 389

Eine eigenständige Bedeutung hat der Tatbestand des Verlusts des Besteuerungsrechts an den Nutzungen daher nur, wenn nicht das Wirtschaftsgut selbst, sondern nur die Nutzungsmöglichkeit übertragen wird. Dabei kann es sich um ein materielles als auch um ein immaterielles Wirtschaftsgut handeln.

 

Rz. 389a

Ähnlich wie bei der Verlagerung von Wirtschaftsgütern setzt der "Nutzungstatbestand" des § 4 Abs. 1 S. 3 EStG voraus, dass die Nutzung nicht einer anderen Person überlassen wird. Es muss sich also um ein "Innengeschäft" des Stpfl. handeln, z. B. eine Nutzungsüberlassung an eine ausländische Betriebsstätte. Nicht als Anwendungsfälle in Betracht kommen daher folgende Gestaltungen:

  • Das Wirtschaftsgut wird von dem inländischen Stpfl. einer im Ausland ansässigen nahe stehenden oder nicht nahe stehenden Person zu einem angemessenen Entgelt überlassen. Das Nutzungsentgelt wird im Inland besteuert; daher wird das deutsche Besteuerungsrecht an den Nutzungen weder ausgeschlossen noch eingeschränkt.
  • Das Wirtschaftsgut wird der ausländischen nahe stehenden Person zu einem nicht angemessenen Nutzungsentgelt überlassen. In diesem Fall ist der Tatbestand der Nutzungsentnahme nach Abs. 1 S. 2 erfüllt. Diesem Tatbestand ist der Vorrang vor dem Tatbestand des Abs. 1 S. 3 eingeräumt.
 

Rz. 390

Wie bei dem Tatbestand des Veräußerungsgewinns kommen daher nur Gestaltungen in Betracht, bei denen die Nutzungsmöglichkeit für ein Wirtschaftsgut auf eine ausländische Betriebsstätte übertragen, ihr das Wirtschaftsgut selbst aber nicht zugeordnet wird. Dabei kann es sich nur um Gestaltungen handeln, bei denen der ausländischen Betriebsstätte nur kurzfristige Nutzungsmöglichkeiten eingeräumt werden, oder bei denen die Nutzung durch mehrere Betriebsstätten erfolgt, das Wirtschaftsgut selbst aber nur einer einzigen Betriebsstätte zugeordnet werden kann. Dies kann bei der Nutzung von immateriellen Wirtschaftsgütern der Fall sein. Beispiele sind etwa ein Produktionspatent oder Warenzeichen, die durch mehrere Betriebsstätten genutzt werden. Dann ist das Wirtschaftsgut selbst (das Patent bzw. das Warenzeichen) nur einer einzigen Betriebsstätte zuzuordnen (i. d. R. dem Stammhaus), während die Nutzungen aus dem Patent bzw. dem Warenzeichen (auch) in den ausländischen Betriebsstätten anfallen. Entsprechendes gilt für materielle Wirtschaftsgüter.

 

Rz. 391

Eine Möglichkeit zur Lösung dieser Fälle wäre, zwischen der Betriebsstätte, die das Wirtschaftsgut hält, und der Betriebsstätte, die das Wirtschaftsgut nutzt, Vergütungen zu verrechnen, die dem Drittvergleichsgrundsatz entsprechen. Das ist aber nach dem gegenwärtigen Stand des Rechts der Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten nicht möglich, da zwischen Stammhaus und Betriebsstätte bzw. zwischen verschiedenen Betriebsstätten die Verrechnung von Darlehenszinsen, Miet- und Pachtzinsen und Lizenzgebühren nach bisher herrschender Auffassung nicht möglich ist.[1] Der Gewinn aus der Nutzung der Überlassung von Wirtschaftsgütern ist daher nach bisheriger Auffassung der nutzenden Betriebsstätte zuzuordnen. Der das Wirtschaftsgut haltenden Betriebsstätte können allenfalls die Kosten der Nutzung vergütet werden, die i. d. R. gering sein werden (z. B. Kosten der Aufrechterhaltung und Verteidigung eines Warenzeichens oder des Patents). Der wirtschaftliche Wert der Nutzung des (immateriellen) Wirtschaftsguts fällt bei der nutzenden Betriebsstätte an.

 

Rz. 392

Diese bisher herrschende Ansicht zur Abgrenzung der Besteuerungsrechte wird durch die Nutzungsbesteuerung des § 4 Abs. 1 S. 3 EStG ersetzt. Das Gesetz greift damit der internationalen Entwicklung voraus. Dem Vernehmen nach plant die OECD, das gegenwärtige System der Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten durch ein stärker am Drittvergleich orientiertes System zu ersetzen[2], nach dem auch zwischen Betriebsstätten vertragsähnliche Beziehungen ("dealings"), also darlehens-, miet-, pacht- und li...

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