Rz. 9

Die Bildung der LSt-Abzugsmerkmale stellt nach § 39 Abs. 1 S. 4 EStG gesonderte Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen dar; sie ist daher Verwaltungsakt. Diese Vorschrift ersetzt § 39 Abs. 3b Abs. 4 a. F. EStG für das ELStAM-Verfahren (§ 52b Abs. 6 S. 1 EStG). Bei der Übernahme dieser Regelung wurde eine in § 52b Abs. 6 S. 1 EStG enthaltene systematische Ungenauigkeit beseitigt. Dort war bestimmt, dass der Abruf der LSt-Abzugsmerkmale durch den Arbeitgeber eine gesonderte Feststellung darstellen sollte. Das war systematisch bedenklich, da ein Abruf von Daten durch den Arbeitgeber kein Akt der Behörde ist und daher keinen Verwaltungsakt bilden kann. Nach der Neuregelung liegt der Verwaltungsakt in der Bildung der LSt-Abzugsmerkmale. Damit wird immer noch in systematisch bedenklicher Weise an einen maschinellen Ablauf die Eigenschaft als Verwaltungsakt geknüpft; doch handelt es sich immerhin um einen Vorgang, der der Behörde zuzurechnen ist. Insgesamt wird aber der Begriff des Verwaltungsakts als Regelung eines Einzelfalles durch die Behörde (§ 118 AO) aufs Äußerste strapaziert, wenn bereits eine automatische Bildung der Merkmale ohne konkrete Entscheidung der Behörde als Verwaltungsakt qualifiziert wird.

 

Rz. 10

Die Regelung des § 39 Abs. 1 S. 4 EStG ist eine Fiktion. Ihrer Natur nach handelt es sich bei der Bildung der LSt-Abzugsmerkmale nicht um gesonderte Feststellungen i. S. d. §§ 179ff. AO. Diese gesonderten Feststellungen sind als Grundlagenbescheide (§ 171 Abs. 10 AO) unmittelbar und notwendig auf den Erlass eines anderen Steuerbescheids als Folgebescheid (§ 182 Abs. 1 AO) bezogen. Die Bindungswirkung der LSt-Abzugsmerkmale bezieht sich aber in erster Linie auf ein tatsächliches Verhalten, d. h. die Vornahme des LSt-Abzugs durch den Arbeitgeber und Duldung des LSt-Abzugs durch den Arbeitnehmer. Man könnte zwar die Ansicht vertreten, die LSt-Abzugsmerkmale entfalteten mittelbar über den LSt-Abzug Bindungswirkung für die LSt-Anmeldung des Arbeitgebers[1] und damit für einen Steuerbescheid; diese Ansicht wirft aber mehr Fragen auf als sie löst. So ist nicht zu sehen, welche Bedeutung die LSt-Abzugsmerkmale für die Abführung der LSt haben; die Bedeutung der LSt-Abzugsmerkmale beschränkt sich auf den Bereich der Einbehaltung der LSt. Wollte man die LSt-Abzugsmerkmale als Grundlagenbescheid für die Steueranmeldung des Arbeitgebers ansehen, müsste der Arbeitgeber Adressat und Bekanntgabeempfänger der LSt-Abzugsmerkmale mit Rechtsbehelfsbefugnis sein. Außerdem würde dann eine Änderung der LSt-Anmeldung eine Änderung der LSt-Abzugsmerkmale voraussetzen. Hierfür gibt es aber weder eine Rechtsgrundlage noch ein praktisches Bedürfnis.[2]

 

Rz. 11

Besser in das LSt-System ordnet sich die Ansicht ein, dass die Verweisung auf die Regeln über die gesonderte Feststellung als Fiktion lediglich zur sinngemäßen Anwendung der §§ 179ff. AO führt. Dann dient die Verweisung nur dazu, bestimmte Verfahrensregeln anwenden zu können.[3] Geklärt wird durch diese Verweisung, dass die Bildung der LSt-Abzugsmerkmale Verwaltungsakte sind, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO stehen und daher im Rahmen des § 164 Abs. 2 AO änderbar sind (Rz. 13), und dass dem Arbeitnehmer die gegen Steuerbescheide gegebenen Rechtsbehelfe offenstehen (Rz. 42ff). Dagegen ist § 182 AO über die Wirkungen der gesonderten Feststellung auf die LSt-Abzugsmerkmale nicht anwendbar. Welche Wirkungen gegenüber dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer bestehen, ergibt sich aus dem Prinzip der Bindung an die LSt-Abzugsmerkmale, das in § 38a Abs. 4 EStG festgeschrieben ist. § 182 AO ist daneben nicht anwendbar.

 

Rz. 12

Die LSt-Abzugsmerkmale sind für die Durchführung des LSt-Abzugs bindend. Weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber oder Finanzbehörde dürfen von diesen Eintragungen abweichen, solange sie nicht geändert wurden. Die LSt-Abzugsmerkmale sind nicht mehr maßgebend bei

  • Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung;
  • Nachholung der LSt nach Ablauf des Kalenderjahres gegenüber dem Arbeitnehmer. Es gilt hier das Prinzip der materiell richtigen Steuer. Es darf nur die Steuer nachgefordert werden, die nach einkommensteuerrechtlichen Grundsätzen geschuldet wird.[4]

Bindungswirkung entfalten die Eintragungen jedoch für den LSt-Jahresausgleich durch den Arbeitgeber nach § 42b EStG.

 

Rz. 13

Die LSt-Abzugsmerkmale gelten als gesonderte Feststellungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO). Sie können also jederzeit durch die Finanzbehörde von Amts wegen oder auf Antrag des Arbeitnehmers geändert werden. Ihre Bestandskraft ist daher stark eingeschränkt. Da die gesonderte Feststellung nur Auswirkungen auf das LSt-Abzugsverfahren hat, ist die Ausnutzung des Vorbehalts der Nachprüfung zu einer Änderung der LSt-Abzugsmerkmale nur möglich, solange sich diese Entscheidung noch im LSt-Abzugsverfahren auswirken kann; vgl. die Antragsfrist bis 30.11. in § 39 Abs. 6 S. 6 EStG (Rz. 32). Soll bei der Einkommensteuerveranlagung von LSt-Abzugsmerkmalen abgewichen werden,...

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