Rz. 71

Wählt[1] nur einer der Ehegatten die Einzelveranlagung, werden beide nach § 26a EStG einzeln veranlagt, d. h., auch der andere Ehegatte ist zwingend getrennt bzw. einzeln zu veranlagen.[2]

 

Rz. 72

Da die Zusammenveranlagung i. d. R. zu günstigeren Ergebnissen führt, jeder Ehegatte aber nach § 26 Abs. 2 S. 1 EStG durch einseitige Erklärung die Einzelveranlagung erreichen kann, besteht bei zerrütteter Ehe die Gefahr, dass die Veranlagungswahl dazu missbraucht wird, dem anderen Ehegatten zu schaden. Unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen Treu und Glauben kann der Antrag auf Einzelveranlagung wegen Rechtsmissbrauchs unbeachtlich sein. Darüber hinaus kann sich eine zivilrechtliche Verpflichtung ergeben, der von einem Ehegatten beantragten Zusammenveranlagung zuzustimmen (Rz. 77).

 

Rz. 73

Ein Rechtsmissbrauch ist nach der Rspr. des BFH anzunehmen, wenn der die (frühere) getrennte Veranlagung beantragende Ehegatte selbst keine eigenen positiven oder negativen[3] Einkünfte hat oder wenn diese so gering sind, dass sie weder einem Steuerabzug unterlegen haben noch zur ESt-Veranlagung führen können.[4] Dieser Grundsatz gilt ab dem Vz 2013 auch für die Einzelveranlagung. In diesen Fällen geht der Antrag "ins Leere". Den berechtigten Interessen des einkunftslosen Ehegatten wird durch das Aufteilungsverfahren (§§ 268ff. AO) Rechnung getragen.[5] Gewichtige Gründe des Steuergeheimnisses stehen nicht entgegen, da den Eheleuten die wesentlichen Besteuerungsgrundlagen aus den Auseinandersetzungen um den gegenseitigen Unterhalt ohnehin im Wesentlichen bekannt sind.

 

Rz. 74

Der Antrag des (früheren) Ehegatten ist aber dann nicht unbeachtlich, wenn noch nicht verbrauchte Verluste bei ihm steuerliche Vorteile auslösen können.[6] Eine weitergehende steuerrechtliche Beschränkung der Beachtlichkeit des Wahlrechts ist jedoch nicht möglich, da sich die Missbräuchlichkeit nicht mehr allein aus steuerlichen Zusammenhängen herleiten ließe, sondern aus der Berücksichtigung zivilrechtlicher Pflichtenlagen. Diese sind dem FA jedoch nicht bekannt und können von ihm schon deshalb nicht angemessen berücksichtigt werden, weil das FA nicht in der Lage ist, den zivilrechtlichen Innenausgleich zwischen den Ehegatten herbeizuführen.

Verletzt ein Ehegatte seine Verpflichtung, gem. § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB der gemeinsamen steuerlichen Veranlagung der Ehegatten zuzustimmen, kann dem anderen Ehegatten ein Erstattungsanspruch aus § 816 Abs. 2 BGB bzw. ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB zustehen.[7]

 

Rz. 75

Der BFH bejaht einen Rechtsmissbrauch, wenn durch die Wahl der Steuerklassen III/V einerseits und der (früheren) getrennten Veranlagung andererseits sich z. B. für die Ehefrau eine Erstattung ergibt, während die gegen den Ehemann festgesetzte Nachzahlung wegen dauerhafter Gehaltsabtretung an die Ehefrau nicht beigetrieben werden kann. Hier steht die Einzelveranlagung in Widerspruch zu den der Einräumung des Veranlagungswahlrechts zugrunde liegenden Wertungen.[8] § 42 AO setzt letztlich voraus, dass die gewählte Gestaltung nach den der jeweiligen steuerrechtlichen Vorschrift zugrunde liegenden gesetzgeberischen Wertungen der Steuerumgehung dienen soll. Hingegen ist für § 42 AO grundsätzlich kein Raum, wenn der Stpfl. einen vom Steuergesetz vorgezeichneten Weg wählt.[9] Ein Missbrauch i. d. S. ist nach st. Rspr. anzunehmen, wenn eine (zivilrechtliche und/oder steuerrechtliche) Gestaltung gewählt wird, die – gemessen an dem erstrebten Ziel – unangemessen ist, der Steuervermeidung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nicht steuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist.[10] Das Veranlagungswahlrecht wird daher eingeschränkt, als sich ein Ehegatte nicht einseitig von der bisherigen Zusammenveranlagung lösen darf, sofern dafür keine wirtschaftlich verständlichen und vernünftigen Gründe vorliegen, sondern der Antrag als willkürlich motiviert erscheint.[11]

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