Rz. 105

Sind die Voraussetzungen für die grundsätzliche Anerkennung eines Vertrags zwischen nahen Angehörigen erfüllt (Rz. 96ff.), kann die Gestaltung gleichwohl missbräuchlich sein, sodass sie gem. § 42 AO nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden kann.

Rechtsmissbrauch liegt bisher nach st. Rspr. vor, wenn

  • eine Gestaltung gewählt wird, die – gemessen an dem erstrebten Ziel – unangemessen ist,
  • sie der Steuerminderung dienen soll und
  • sie durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist.[1]
 

Rz. 106

Durch das JStG 2007 v. 20.12.2007[2] ist § 42 AO mit Wirkung ab 1.1.2008 geändert und die Voraussetzungen des Rechtsmissbrauchs in § 42 Abs. 2 AO nahezu wortgleich mit der bisherigen Rechtsprechung geregelt worden. Ein Missbrauch liegt vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Das gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige beachtliche außersteuerliche Gründe nachweist.[3] Angesichts dieses vergleichbaren Wortlauts kann die vor 2008 ergangene Rechtsprechung nach wie vor herangezogen werden.

 

Rz. 107

Das Motiv, Steuern zu sparen, macht eine Gestaltung noch nicht unangemessen. Das gilt auch für Angehörige. Eine rechtliche Gestaltung ist erst dann unangemessen, wenn der Stpfl. die vom Gesetzgeber zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels vorgesehene rechtliche Möglichkeit nicht gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Weisungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreicht werden soll.[4] Mietverträge zwischen nahen Angehörigen werden daher nach neuerer Rspr. regelmäßig der Besteuerung zugrunde gelegt, wenn sie einem Fremdvergleich standhalten. Es ist nicht rechtmissbräuchlich, wenn Eltern sich entscheiden, ihrem Kind Barunterhalt – statt Naturalunterhalt – zu gewähren und das Kind hiermit den Mietzins für die von den Eltern gemietete Wohnung entrichtet. Es ergibt sich keine andere Situation, als wenn das Kind mit dem Barunterhalt bei einem fremden Vermieter die Wohnung anmietet. Ehegatten können ihre Vermögensverhältnisse ebenfalls frei gestalten, somit entscheiden, ob und wer von beiden Wohnraum anschafft und an wen er vermietet wird. Missbrauchsfälle bei Vermietungen sind damit kaum noch vorstellbar.

 

Rz. 108

Kein Missbrauch liegt daher vor bei einem Mietverhältnis mit

  • der unterhaltsberechtigten Mutter[5];
  • der volljährigen Tochter und deren Ehemann[6];
  • unterhaltsberechtigten Kindern[7], selbst wenn das Kind die Miete aus dem Barunterhalt oder durch Verrechnung mit dem Barunterhalt der Eltern[8] oder aus einer einmaligen Barschenkung der Eltern[9] zahlt;
  • dem geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten, wenn die Miete mit dem geschuldeten Barunterhalt verrechnet wird[10];
  • dem Ehegatten über eine dem anderen Ehegatten gehörende Wohnung, die dieser am Beschäftigungsort im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung nutzt[11];
  • den Eltern zu fremdüblichen Bedingungen, wenn der Stpfl. selbst ein Haus seiner Eltern unentgeltlich zu Wohnzwecken nutzt.[12]
 

Rz. 109

Zweifelhaft war die Behandlung der Übertragung eines Hauses, z. B. von den Eltern auf die Kinder, bei gleichzeitiger Rückanmietung durch die Eltern; bei Übergabe eines Hauses im Weg der vorweggenommenen Erbfolge gegen Rückvermietung an die Übergeber auf deren Lebenszeit und Einräumung einer lebenslangen durch Reallast gesicherten, die Mietzahlung (nahezu) neutralisierenden monatlichen Geldleistung, sog. Stuttgarter Modell. Die Verwaltung und ihr folgend ein Teil der FG haben in solchen Fällen einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten bejaht.[13]

 

Rz. 110

Dem ist der BFH zu Recht nicht gefolgt. Nach den Voraussetzungen des § 42 AO (Rz. 205ff.) liegt in diesen Fällen kein Missbrauch vor, denn es ist nicht unangemessen,

  • das Vermögen gegen Abschluss eines Mietvertrags zu übertragen, da es den Eltern freisteht, die Nutzung des übertragenen Vermögens entgeltlich oder unentgeltlich zu gestalten;
  • die Versorgungsleistungen mit der Vermietung zu verknüpfen, selbst wenn der Vorgang sich wirtschaftlich neutralisiert;
  • das Gebäude zuvor gegen wiederkehrende Leistungen zu übertragen, da es dem Eigentümer einer Immobilie freisteht, diese ohne jede Einschränkung und Auflage zu übertragen oder im Zuge der entgeltlichen oder unentgeltlichen Übertragung auf den Erwerber eine – wie auch immer geartete – Nutzungsmöglichkeit für sich vorzusehen. Die Übertragung und Rückanmietung sind deshalb nicht unangemessen, weil die Eigentumsübertragung und die anschließende Vermietung jeweils zivil- und steuerrechtlich unabhängig voneinander zu beurteilen sind;
  • das Eigentum entgeltlich oder unentgeltlich zu übertragen, ob Einmalbetrag, Raten, Stundung oder Versorgungsleistungen vereinbart werden;
  • dass die Versorgungsleistungen (in etwa) der Miete entsprechen, da jede Vereinbarung für sich wirtschaftlich sinnvoll ist; wer sein Grundstück gegen V...

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