Rz. 303

§ 20 Abs. 4 S. 4 Halbs. 1 EStG bestimmt, dass in den Fällen der Veräußerung eines Anspruchs auf eine Versicherungsleistung i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 6 EStG die entrichteten Beiträge i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 1 EStG als Anschaffungskosten gelten. Nach § 20 Abs. 4 S. 4 Halbs. 2 EStG gelten auch die nach dem Erwerb eines Anspruchs auf eine Versicherungsleistung entrichteten Beiträge als Anschaffungskosten, wenn ein entgeltlicher Erwerb des Anspruchs vorausgegangen ist.

 

Rz. 304

§ 20 Abs. 4 S. 4 EStG regelt zwei unterschiedliche Konstellationen. § 20 Abs. 4 S. 4 Halbs. 1 EStG betrifft die Veräußerung eines Anspruchs auf eine Versicherungsleistung durch den Ersterwerber. Gemeint ist der Fall, dass ein Stpfl. einen Anspruch auf eine Versicherungsleistung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 1 EStG durch den Abschluss eines entsprechenden Vertrages erwirbt, in der Folge Beiträge zu diesem Vertrag leistet und den Anspruch schließlich an einen Dritten veräußert. In diesem Fall treten bei der Ermittlung des stpfl. Veräußerungsgewinns nach § 20 Abs. 4 S. 4 Halbs. 1 EStG die während der Besitzzeit entrichteten Beiträge an die Stelle der Anschaffungskosten.

§ 20 Abs. 4 S. 4 Halbs. 2 EStG erfasst dagegen die Veräußerung durch den Zweiterwerber. Gemeint wird der Fall, dass ein Stpfl. einen bereits bestehenden Anspruch auf eine Versicherungsleistung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 1 EStG von einem Dritten erwirbt, in der Folge Beiträge zu diesem Vertrag leistet und den Anspruch schließlich ebenfalls an einen Dritten veräußert. Dann gelten im Rahmen der Ermittlung des stpfl. Veräußerungsgewinns nach § 20 Abs. 4 S. 4 Halbs. 2 EStG sowohl die Erwerbsaufwendungen als auch die nach dem Erwerb entrichteten Beiträge als Anschaffungskosten.[1] Die Regelung führt dazu, dass der Erwerber eines Anspruchs auf eine Versicherungsleistung im Falle einer späteren Veräußerung nur die Erträge versteuern muss, die nach dem Erwerb entstanden sind. Die bis zum Erwerb entstandenen Erträge hat der Veräußerer zu versteuern. Die Erträge des infrage stehenden Versicherungsvertrags werden damit auf den Erwerber und den Veräußerer im Verhältnis ihrer Besitzzeit aufgeteilt.

 

Praxis-Beispiel

Gewinnermittlung im Falle der Veräußerung von Versicherungsansprüchen

A hat am 1.1.2010 eine Kapitallebensversicherung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG abgeschlossen. In den folgenden 12 Jahren entrichtet A Beiträge i. H. v. 20.000 EUR. Am 1.1.2022 veräußert A die Versicherung für 40.000 EUR an B. B entrichtet in den folgenden 18 Jahren Beiträge i. H. v. 30.000 EUR. Am 1.1.2040 veräußert B die Kapitallebensversicherung für 100.000 EUR an C.

Bei A führt die Veräußerung der Versicherung am 1.1.2022 zu Einkünften i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 6 EStG. Da A die Kapitallebensversicherung als Ersterwerber veräußert hat, treten bei der Ermittlung des stpfl. Veräußerungsgewinns nach § 20 Abs. 4 S. 4 Halbs. 1 EStG an die Stelle der Anschaffungskosten die entrichteten Beiträge. A erzielt damit einen Gewinn i. H. v. 40.000 EUR ./. 20.000 EUR = 20.000 EUR. Bei B fallen aufgrund der Veräußerung der Versicherung am 1.1.2040 ebenfalls Einkünfte i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 6 EStG an. Da B die Kapitallebensversicherung als Zweiterwerber veräußert hat, gelten nach § 20 Abs. 4 S. 1 Halbs. 2 EStG sowohl die Erwerbsaufwendungen als auch die nach dem Erwerb entrichteten Beiträge als Anschaffungskosten. B erzielt damit einen Gewinn i. H. v. 100.000 EUR ./. (40.000 EUR + 30.000 EUR) = 30.000 EUR.

[1] Stuhrmann, in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 20 EStG Rz. 424.

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