Rz. 13

Alle unvermeidbaren Aufwendungen des Stpfl. für die Existenzsicherung für sich und den Unterhalt seiner Familie, stehen zur Zahlung von Steuern nicht mehr zur Verfügung und müssen daher von jeder Steuerzahlung befreit sein. Der ESt kann nur der Teil des Erwerbseinkommens unterliegen, der für den Stpfl. disponibel ist.

 

Rz. 14

Das BVerfG hat hinsichtlich des Existenzminimums des Stpfl. und seiner Familie diesen Grundsatz bestätigt.[1]

Nach diesen Entscheidungen muss der Staat dem Stpfl. sein Einkommen insoweit steuerfrei belassen, als es zur Schaffung von Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein für sich und seine Familie benötigt wird. Soweit der Staat verpflichtet ist, dem mittellosen Bürger dieses Dasein durch Sozialleistungen zu sichern, darf er dem Bürger das selbst erzielte Einkommen bis zu diesem Betrag nicht entziehen. Aus Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 1 GG folgt für das BVerfG, dass bei der Besteuerung einer Familie das Existenzminimum für jedes Familienmitglied von der Steuer zu befreien ist. Maßstab für die Höhe des Existenzminimums ist das Sozialhilferecht. Das, was der Staat dem Bedürftigen als Mittel zur Befriedigung seines existenznotwendigen Bedarfs zur Verfügung stellt, muss die ESt mindestens auch dem Bezieher von Erwerbsbezügen belassen. Maßgröße für das Existenzminimum ist danach "der im Sozialhilferecht jeweils anerkannte Mindestbedarf, der allgemein durch Hilfen zum notwendigen Lebensunterhalt an jeden Bedürftigen befriedigt wird".[2]

Der BFH folgt dieser Rspr. des BVerfG.[3]

Zuletzt hat das BVerfG auch die Betreuungskosten für Kinder als für den Stpfl. indisponibel angesehen. Es hat daher einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG bejaht, weil der Gesetzgeber diese Entlastungen im Rahmen des § 32 Abs. 7 EStG und § 33c EStG nur Nichtverheirateten gewährt, Verheiratete aber ausschließt. Der Gesetzgeber ist aufgefordert worden, ab Vz 2000 (§ 32 Abs. 7 EStG) und Vz 2002 (§ 33c EStG) eine Neuregelung zu treffen.[4] Der Gesetzgeber ist dieser Aufforderung durch das FamFördG v. 22.12.1999[5] gefolgt (Rz. 211; § 32 Abs. 6 EStG).

Der BFH hält den Ausschluss des Werbungskostenabzugs für Berufsausbildungskosten (§ 9 Abs. 6 EStG) für verfassungswidrig und hat die Sache dem BVerfG vorgelegt.[6]

 

Rz. 15

Das BVerfG hat sich zunächst in den genannten Entscheidungen (Rz. 42 – 44) nur mit dem sächlichen Existenzminimum befasst, das durch das Steuerrecht gewährleistet werden muss, also Aufwendungen für Nahrung, Kleidung, Hygiene, Hausrat, Wohnung sowie den korrespondierenden Leistungstatbeständen des Sozialhilferechts. Es hat dann auch Aufwendungen des Stpfl. für die Kranken- und Pflegeversorgung (insbesondere entsprechende Versicherungsbeiträge), als Teil des einkommensteuerrechtlich zu verschonenden Existenzminimums angesehen und § 10 Abs. 1 Nr. 2a EStG i. V. m. § 10 Abs. 3 EStG in der für den Vz 1997 geltenden Fassung und alle nachfolgenden Fassungen als mit dem GG für unvereinbar angesehen.[7] Das BVerfG hat den Gesetzgeber verpflichtet, bis zum 1.1.2010 eine Neuregelung zu schaffen. Dem ist der Gesetzgeber mit G. v. 16.7.2009 (§ 10 EStG Rz. 3a, 68ff.) nachgekommen.

 

Rz. 16

Die Sicherung des Existenzminimums wird zzt. nicht als Abzug von der Bemessungsgrundlage, sondern im Tarif (§ 32a EStG) gewährt. Zur Verfassungsmäßigkeit vgl. § 32a EStG Rz. 4ff. Die Sicherung des Existenzminimums von Kindern wird durch Kindergeld außerhalb der Bemessungsgrundlage oder als Abzug vom Einkommen durch den Kinderfreibetrag gewährt (§§ 31, 32 EStG).

 

Rz. 17

Aus dieser Rspr. folgt, dass das subjektive Nettoprinzip im Rahmen des oben dargestellten Umfangs verfassungsrechtlich bei Weitem stärker abgesichert ist als das objektive Nettoprinzip.

Unvermeidbar und damit von der Bemessungsgrundlage auszunehmen sind bestimmte Aufwendungen des Stpfl. für Unterhalt (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG versus § 12 Nr. 2 EStG) und die Vorsorge gegen Krankheit, Unfall sowie die Fürsorge für die Alterssicherung (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG), ggf. noch Aufwendungen für die Weiterbildung (§ 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG).

Für die übrigen Aufwendungen, die nach § 10 Abs. 1 EStG zum Abzug zugelassen sind, gilt dies nicht. Es ist nicht erkennbar, dass diese Aufwendungen für den Stpfl. unvermeidbar sind (§ 10 EStG Rz. 3–5). So zeigt auch die Streichung des § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG (Beiträge für Bausparverträge) und Nr. 5 (Zinsen für Steuerzahlungen), dass § 10 Abs. 1 EStG überwiegend Steuervergünstigungen enthält, die vom Gesetzgeber einschränkbar sind. Der Abzug von Spenden und Mitgliedsbeiträgen an politische Parteien ist freiwillig und kann daher für den Stpfl. nie unvermeidbar sein. Sinn und Zweck des § 10b EStG liegt daher primär in der Förderung der Empfänger der Spenden (§ 10b EStG Rz. 10).

 

Rz. 18

Außergewöhnliche Belastungen sind für den Stpfl. unvermeidbar, da er sich den Aufwendungen für z. B. Krankheit, Unterhalt und Ausbildungskosten für seine Kinder nicht entziehen kann. Die Abzugsbeträge nach § 33a EStG gewähren den existenznotwendigen Grundbedarf des ...

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